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Kapitel 5

Sie versuchte ihren wieder hochkommenden Zorn darüber hinunterzuschlucken. Dürfen wir hereinkommen?“ fragte der elegante Ältere. Natascha nickte und registrierte stumm den Blick des Mannes, der einen Tick zu lange auf ihr ruhte. Sie ging voran und öffnete die Balkontür. Der Ältere inspizierte gründlich die Schäden, und sprach leise in ein Diktiergerät. Der Hausmeister huschte dienstbeflissen hierhin und dorthin, ihm die Mängel zeigend. Endlich waren sie fertig. „Eine Firma wird in den nächsten Tagen die schadhaften Stellen auf dem Balkon beseitigen.“ sagte der Gutaussehende. „Seine Augen haben das unwahrscheinlichste Blau, das ich je gesehen habe!“ dachte Natascha während seiner Worte. „Er hat bestimmt farbige Kontaktlinsen eingesetzt.“ Sie verabscheute eitle Männer. Sein Händedruck war fest und warm, als er sich von ihr verabschiedete. Sein Blick hatte sie irritiert, sie wusste auch nicht warum.

Natascha Winter war Studentin der Musikhochschule im achten Semester. Sie spielte Klavier und hatte in diesem Semester zusätzlich mit Saxophon begonnen. Sie war hochbegabt. Schon als Kind waren ihr die Auszeichnungen nur so zugeflogen. Aber es war ihr nicht zu Kopf gestiegen. Sie war auf dem Teppich geblieben, wie ihre Eltern sagten. In ihrem Apartment stand der große Steinway-Flügel, den ihr der Vater mithilfe eines gewonnenen ersten Preises gekauft hatte. Zärtlich strich sie über den weißen Lack. Er war ihr Ein und Alles. Ohne Musik würde sie nicht leben können. Ihr Magen knurrte. Sie hatte Hunger, und zwar auf französische Crêpes. In der Nähe war ein Laden, in dem es immer welche ganz frisch mit allen möglichen Zutaten gab-Maronen-Püree oder Ahornsirup egal, was man wollte- sie hatten es. Schnell warf sie sich die Jeansjacke über und rannte die Treppen hinunter.


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