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Kapitel 37


Ines und Judith waren, als er aufs Schiff ging, noch nicht da. Es war mittlerweile Abend geworden. Hardenberg beschloss, jetzt die Polizei einzuschalten. Er rief in der Polizeistation von Monaco an und gab an, dass er seit dem Nachmittag Frau und Tochter vermisste. Der Polizei-Chef persönlich versprach zum Schiff hinaus zu kommen und eine Mannschaft von 20 Polizisten hoch in die Berge und in die nähere Umgebung zu schicken. Noch war es hell. Etwa vier Stunden lang würde man noch gut suchen können. Hardenberg musste schlucken und legte auf. Sowenig er sich mit Ines auch verstanden hatte und so fremd ihm sein eigenes Kind oft gewesen war, solch ein Ende musste es nicht nehmen. Er wischte sich über die Augen, stand auf und stützte sich auf die Reling. Auf dem Schiff war es mucksmäuschenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die zwei spanischen Zimmermädchen bekreuzigten sich ab und zu, bei einer sah er, dass ihre Finger emsig und immer wieder einen Rosenkranz umrundeten. Er wollte ihnen zunicken, aber er unterließ es, denn er hatte das Gefühl, es wäre ein Eingeständnis gewesen, dass Frau und Kind ein Unglück zugestoßen war. Der Polizei-Chef hatte ihm gesagt, man müsse durch Hardenbergs exponierte finanzielle Situation auch an eine Entführung denken. Seine Finger umkrampften das noch sonnenwarme Geländer. Sollte das Fest für Judith solch eine Wendung genommen haben? Ratberg stand, wie immer korrekt in Dienstuniform, an Deck. Hardenberg sagte ihm, dass er ihm die Ankunft des Polizeichefs ankündigen solle. Er ging unter Deck. Sein Kopf schmerzte, er wollte sich ein bisschen hinlegen. Er konnte im Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er machte sich eine Schmerztablette zurecht und trank das Getränk in einem einzigen Zug aus. Dann legte er sich hin. Hier in seinem Raum war es angenehm kühl und dunkel. Die Mädchen hatten auf seinen Wunsch hin die Vorhänge zugezogen gelassen. Die Pause war nur von kurzer Dauer. Schon hörte er das Hupen eines Autos am Landesteg. Er stand auf und ging nach oben. Ratberg begegnete ihm. „Ist gut, mein Lieber!“ Er klopfte ihm auf die Schulter und trat ins Abendlicht. Der Kommissar kam gerade die Gangway mit ausgestreckten Armen hoch. Überschwänglich begrüßte er Hardenberg und dieser nötigte ihn, sich zur Lagebesprechung unter das Sonnensegel in die Kühle des Schattens zu setzen.


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