Kapitel 32
Hardenberg ging seine Frau suchen. Er fand sie, wie immer bei solchen Festen an der aufgebauten Bar vor einem Wodka sitzen. „Sie denkt, ich weiß nicht, dass es Wodka ist! Sie meint, weil es in einem Glas für Wasser ist und klar ist, glaubt jeder, dass sie nur Wasser trinkt!“ dachte er verbittert, „dabei wissen doch fast alle, zumindest Personal und gute Freunde, dass sie gerne harte Sachen trinkt.“ Er zog sich einen Hocker heran und bestellte sich einen alkoholfreien Cocktail. „So früh am Abend schon Alkohol?“ frotzelte Ines, die sich wie immer über seine Alkoholabneigung lustig machte. Ihr Atem roch schwer nach Fusel. Das Glas war bestimmt nicht ihr erstes. „Trink lieber nicht so viel!“ sagte er leichthin, „wenn du morgen in die Berge fahren willst!“ „Von dir lass ich mir gar nichts sagen!“ Sie wurde unangenehm laut. Einige der am nächsten sitzenden Gäste drehten sich schon neugierig um. Hardenberg erhob sich, prostete ihr höflich zu und ging mit seinem Glas unter die Menge. Hoffentlich wurde und blieb sie den Abend über still, ihrer Tochter zuliebe. Es wäre zu peinlich, wenn sie sich vor den Gästen vergessen würde.
Es blieb still. Ines hatte wohl seinen Rückzug genau verstanden. Als er später noch mal in ihre Richtung spähte, war sie nicht mehr an ihrem Platz. Er winkte Ratberg, seinen guten Geist, herbei. „Können Sie mir sagen, wo meine Frau ist?“ Ratberg verzog keine Miene, als er antwortete:“ Der gnädigen Frau ging es nicht gut. Ich habe sie in ihr Zimmer begleitet.“ Stefan wusste, was das hieß. Es hieß nichts anderes, als dass sie so betrunken gewesen war, dass Ratberg es für besser gehalten hatte, sie zu fragen, ob er ihr nicht in ihr Zimmer helfen sollte, da es ihr offensichtlich nicht gut ging. Schon zu Hause hatte er oft die Rolle des rettenden Geistes übernommen, bevor die Situation eskalieren konnte. Er wusste auch, woher Ratberg das so gut konnte. Es war ein Privileg, dass dieser aus einer traurigen Kindheit gewonnen hatte. Er wusste auch,dass er sich auf Ratberg verlassen konnte, dass dieser jetzt sogar ihre Koje abgeschlossen hatte, um weitere Eskalationen zu vermeiden. Die Party hatte ihren Höhepunkt erreicht.
Das Lachen und der Hip-Hop der Band dröhnte in seinen Ohren. Vor allem ältere Gäste hatten sich schon bei ihm verabschiedet; übrig würden bis zum frühen Morgen nur die jungen Leute bleiben. Judith tanzte ununterbrochen. Seine Augen suchten Natascha. Endlich fanden sie sie draußen an Deck. Aber sie war nicht allein. Der junge Mann von vorhin stand neben ihr und sie unterhielten sich angeregt. Er spürte, wie Eifersucht in ihm hochkriechen wollte. Aber er kam wieder zur Vernunft. Was hatte der junge Mann Natascha außer seiner Jugend schon zu bieten? Hardenberg konnte ihr mehr geben als alle jungen Männer zusammen. Instinktiv wusste er, dass Natascha ihm mehr entgegenbrachte, als sie zeigte. Er ging zurück zu seinen Gästen am Buffet, und ließ die jungen Leute unbeobachtet.
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