Donnerstag, 16. November 2023

Kapitel 34


„Also, eigentlich“, begann er zögernd, „möchte ich mit dir unter vier Augen sprechen.“ Er schaute sie durchdringend an. „Entschuldige, was ich dich schon immer mal fragen wollte?“ Natascha zeigte auf seine Augen. „Sind die echt oder trägst du Farblinsen?“ Hardenberg musste grinsen und damit war der Ernst der Situation einer gewissen Fröhlichkeit gewichen. „Du bist mir eine!“ schmunzelte er, „aber ich kann dich beruhigen. Sie sind echt. Schau sie dir ruhig genau an!“ Er rückte sehr nah an Natascha heran und zog leicht ein Unterlid herunter. „Siehst Du, keine Linse!“ Natascha sog seinen Körperduft ein und atmete rascher. „Dann will ich Dir mal glauben!“ flüsterte sie mit heiserer Stimme. Am liebsten hätte sie jetzt auf der Stelle sein Gesicht umfasst und ihn geküsst. Sie spürte deutlich, dass es auch Hardenberg so ging und er schon eine winzige Bewegung auf ihren Mund zu machte.

Schnell rückte sie von ihm ab. Was tat sie da nur und hatte gestern Nacht getan?! Er war doch, verdammt noch mal verheiratet! Auch Hardenberg nahm wieder seine vorherige Position ein. „Nun, wir sind doch unter vier Augen, dann sprich doch!“ Ehe Hardenberg antworten konnte, trat ein Handwerker an ihn heran und bat ihn um sein Kommen. Er stand auf. „Ich komme gleich wieder, einen Moment, Natascha!“

Sie sah ihm hinterher. Was wollte er ihr sagen? Den Scheck für den gestrigen Abend hatte sie auf dem Tisch in ihrer Kabine vorgefunden, er hatte sogar eine höhere Summe ausgestellt, als sie vereinbart hatten. Also, was gab es noch zu regeln? Aber so sehr sie ihren innerlichen Aufruhr mit dieser Frage beruhigen wollte, so genau wusste ein anderer Teil in ihr Bescheid. Sie hatte keinen Hunger mehr und schob das Gedeck zurück. Sie lehnte sich zurück und beobachtete die Handwerker. Plötzlich spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter.

„Bist Du fertig? Dann komm!“ Er führte sie vom Schiff hinunter und sie gingen auf der Strandpromenade entlang. Er hielt den Kopf gesenkt und sagte kein Wort. Natascha schwieg ebenfalls. Sie wartete. Endlich blieb er stehen. „Natascha, wie oft habe ich mir diese Szene vorgestellt! Und Angst gehabt, sie zu verwirklichen! Natascha, ich liebe dich, wie ich nie zuvor eine Frau geliebt habe und lieben werde. Ich weiß, noch bin ich verheiratet, aber ich werde die Scheidung einreichen und dann…“ Sie unterbrach ihn kühl. „Das sagen alle verheirateten Männer. Dass sie die Scheidung einreichen und meistens kann die Frau dann warten, bis sie schwarz wird.“ Natascha schwieg und schaute ihn nicht an. Was sie weiter dachte, sagte sie nicht. Sie schaute auf ihre Schuhe. Hardenberg wollte sie wieder in den Arm nehmen, aber sie wehrte ihn ab. Dann drehte sie sich abrupt um und ging zum Schiff zurück. Ratberg stand an der Gangway und sie lief schnell zu ihm hinauf. „Wann geht mein Flieger, Herr Ratberg? Können Sie mir das sagen?“ Ihre Stimme klang ungeduldig. „Wann immer Sie möchten, Frau Winter!“ „Dann möchte ich sofort weg von hier!“ Ratberg räusperte sich. „Müssen Sie erst die Erlaubnis von Herrn Hardenberg einholen, dann tun Sie es! Bitte rufen Sie ihn an!“ Natascha ging schnellen Schrittes in ihre Kabine und holte ihre Sachen. Dafür war sie nun länger geblieben! Pah! Was hatte sie erwartet!? Rote Rosen? Einen Heiratsantrag? Ja, sie musste mit Tränen in den Augen vor sich zugeben, dass sie genau das-vielleicht ein bisschen weniger- erwartet hatte. Dass er ihr auf eine anständige Weise den Hof machte und sie nicht wie eine drittklassige Geliebte behandelte. Dafür war sie sich zu schade. Sie warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, dann ging sie hinaus. Vor der Gangway stand schon der Wagen bereit. Von Hardenberg nirgendwo eine Spur. Es war auch besser so. In ihrer Wut hätte sie ihm sonst böse Worte an den Kopf geworfen. Ratberg hielt ihr die Wagentür auf. Und schlug sie, als sie eingestiegen war, wieder zu. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, damit er ihre verräterisch funkelnden Augen, in denen sie die Tränen kaum zurückhalten konnte, nicht im Rückspiegel sah. Der Wagen glitt geräuschlos vorwärts. Sie warf keinen Blick zurück. Das Kapitel Hardenberg war für sie abgeschlossen. Ein für alle Mal.

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