Sonntag, 19. November 2023

Kapitel 37


Ines und Judith waren, als er aufs Schiff ging, noch nicht da. Es war mittlerweile Abend geworden. Hardenberg beschloss, jetzt die Polizei einzuschalten. Er rief in der Polizeistation von Monaco an und gab an, dass er seit dem Nachmittag Frau und Tochter vermisste. Der Polizei-Chef persönlich versprach zum Schiff hinaus zu kommen und eine Mannschaft von 20 Polizisten hoch in die Berge und in die nähere Umgebung zu schicken. Noch war es hell. Etwa vier Stunden lang würde man noch gut suchen können. Hardenberg musste schlucken und legte auf. Sowenig er sich mit Ines auch verstanden hatte und so fremd ihm sein eigenes Kind oft gewesen war, solch ein Ende musste es nicht nehmen. Er wischte sich über die Augen, stand auf und stützte sich auf die Reling. Auf dem Schiff war es mucksmäuschenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die zwei spanischen Zimmermädchen bekreuzigten sich ab und zu, bei einer sah er, dass ihre Finger emsig und immer wieder einen Rosenkranz umrundeten. Er wollte ihnen zunicken, aber er unterließ es, denn er hatte das Gefühl, es wäre ein Eingeständnis gewesen, dass Frau und Kind ein Unglück zugestoßen war. Der Polizei-Chef hatte ihm gesagt, man müsse durch Hardenbergs exponierte finanzielle Situation auch an eine Entführung denken. Seine Finger umkrampften das noch sonnenwarme Geländer. Sollte das Fest für Judith solch eine Wendung genommen haben? Ratberg stand, wie immer korrekt in Dienstuniform, an Deck. Hardenberg sagte ihm, dass er ihm die Ankunft des Polizeichefs ankündigen solle. Er ging unter Deck. Sein Kopf schmerzte, er wollte sich ein bisschen hinlegen. Er konnte im Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er machte sich eine Schmerztablette zurecht und trank das Getränk in einem einzigen Zug aus. Dann legte er sich hin. Hier in seinem Raum war es angenehm kühl und dunkel. Die Mädchen hatten auf seinen Wunsch hin die Vorhänge zugezogen gelassen. Die Pause war nur von kurzer Dauer. Schon hörte er das Hupen eines Autos am Landesteg. Er stand auf und ging nach oben. Ratberg begegnete ihm. „Ist gut, mein Lieber!“ Er klopfte ihm auf die Schulter und trat ins Abendlicht. Der Kommissar kam gerade die Gangway mit ausgestreckten Armen hoch. Überschwänglich begrüßte er Hardenberg und dieser nötigte ihn, sich zur Lagebesprechung unter das Sonnensegel in die Kühle des Schattens zu setzen.


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Samstag, 18. November 2023

Kapitel 36


Natascha war froh, als sie endlich im Helikopter saß. Sie versuchte es sich, so gut es ging, bequem zu machen und schloss die Augen. Sie wollte schlafen. Aber so sehr sie sich auch bemühte, der Schlaf wollte und wollte nicht kommen. Wenn sie kurz einnickte, sah Hardenberg sie mit traurigen Augen an. Und sie fuhr erschrocken hoch. Der Copilot fragte, ob sie sich einen Film auf einem kleinen Display ansehen wolle. Natascha entschied sich für eine Komödie. Das tat gut, mal die eigene Realität zu vergessen und in etwas anderes, lustigeres einzutauchen. Für Minuten erst und schließlich eineinhalb Stunden lang vergaß Natascha das, was sie heute erlebt hatte und lachte und freute sich. Aber jeder Film hat ein Ende und der Katzenjammer folgte auf dem Fuß. Und so entschied sie sich für einen neuen und noch einen. Zwischendurch mussten sie einmal landen und den Tank wieder auffüllen. Dieses Mal schenkte sie dem Treiben kaum Beachtung. Sie wusste, sie sass im exklusivsten Helikopter, den man sich nur leisten konnte, dem Airbus-Helikopter, der 220 km/std flog, einem Hightechgerät der Extraklasse.

Mit den Worten „Wir sind im Landeanflug über Ihrem Garten, Frau Winter!“ brachte sie der Pilot wieder in den Tag zurück. Sie waren nur sechseinhalb Stunden in der Luft gewesen. Fast bedauerte sie, den gesamten Flug nicht weiter beachtet zu haben, aber so war es auch gut. Sie war ausgeruht und frisch, als sie sich beim Piloten und Copiloten bedankte und gebückt unter den rotierenden Rotorblättern hinüber zu ihren Eltern lief. Zu ihrer Überraschung stand auch Jens neben ihnen und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, war sie richtig froh, dass er da war. Sie flog in seine Arme und drückte sich an ihn. „Halt mich ganz fest, Jens!“ flüsterte sie. Er hatte sie noch nie so erlebt und war überglücklich. Er hielt sie fest umschlungen in seinen Armen. „Kommen wir armen Eltern auch noch mal dran?“ rief der Vater. „Der Hubschrauber ist schon lange weg, und sie liegt immer noch in Jens‘ Armen!

Hallo, wir sind auch noch da!“

Natascha musste lachen und umarmte ihren Vater und ihre Mutter. Auch Stine bekam einen kräftigen Schmatz auf die runzlige Wange. „So, nun lasst uns mal reingehen!“ rief diese und stiefelte mit kurzen, schnellen Schritten voran. Sie folgten ihr redend und lachend. Stine hatte ein Käsefondue vorbereitet und sie setzten sich, nachdem sich Natascha frisch gemacht und umgezogen hatte, an den gemütlichen Tisch vor dem Kamin. „Und nun erzähl mal, was du gesehen hast, Kind!“ forderte sie der Vater auf. „Der Mensch muss ja märchenhaft reich sein, wenn er einen eigenen Hubschrauber und eine Yacht besitzt! Wie groß war die denn?“ „Das weiß ich nicht so genau, aber sie war recht groß. Die Größte, die da vor Anker lag. Das Fest, das er seiner Tochter gegeben hat, war sehr, sehr beeindruckend, wirklich!“ Sie wollte noch hinzufügen „aber so richtig gut, wie ihr beide, verstehen sich die Eheleute Hardenberg nicht.“ Jedoch biss sie sich auf die Zunge und sagte nichts. Das ging keinen Fremden etwas an. Am nächsten Morgen fuhr sie mit Jens zurück nach Hamburg. Sie musste noch die Wohnung kündigen und den Umzug nach München organisieren. Vorher musste alles in Kisten verpackt werden, Bücher, Geschirr, Krimskrams und Noten. Die Möbel blieben in der Wohnung, Natascha hatte sie möbliert gemietet. Jetzt war sie froh darüber, war doch so ein Umzug um vieles im wahrsten Sinn des Wortes leichter. Sie hatte geplant, in einer Woche alles über die Bühne gebracht zu haben, einschließlich des Einrichtens der neuen Wohnung, die ihr das Orchester in München ebenfalls möbliert gestellt hatte. Jens hatte noch zwei Kumpel organisiert, die das Herunterschleppen der Kisten in den kleinen, alten Ford Transit, der einem von ihnen gehörte, übernahmen. Mit Jens zusammen würde sie damit nach München fahren und dort in Ruhe auspacken. Den Wagen würde Jens dann wieder nach Hamburg zurückfahren. Sie hätte nie gedacht, dass ihr der Gedanke an den baldigen Abschied von ihm weh tun würde. Sie wusste, dass sie nur ein Jahr getrennt sein würden, dann wollte Jens nachkommen, aber dunkel war ihr auch klar, dass ein Jahr in einem Menschenleben viel verändern kann. Jens würde einen treuen und einen sich um sie sorgenden Ehemann abgeben, der bereit war, alles für seine Frau und Familie zu tun. Das erkannte sie klar aus seinem Verhalten ihr gegenüber. Er log sie nicht an, wie Hardenberg es getan hatte, er betete sie nur an und hatte nicht nebenbei noch eine weitere Freundin. Auf ihn war zweihundertprozentig Verlass. Solche Menschen fand man selten, das war ihr klar und doch… Ihr Herz schlug schneller, wenn sie an Hardenberg dachte.


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Freitag, 17. November 2023

Suderwicher Gesichter

 

Suderwicher Gesichter

(sepo) Gemeinsam mit der CDU-Lokalpolitikerin Anja-Christina Rex haben wir Anfang des Jahres eine Interview-Reihe gestartet. Die junge und engagierte Mutter trifft bekannte Menschen aus Suderwich und kommt mit ihnen ins Gespräch. Wir von ONsuderwich dokumentieren die Treffen und berichten im Folgenden über die Antworten zu den Fragen von Anja-Christina Rex.

Fotos: Sebastian Pokojski


Teil 11 Anja-Christina Rex trifft Tanja Schael

Steckbrief: Tanja Schael ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie lebt und arbeitet als selbstständige Fotografin seit 14 Jahren in Suderwich.
Mehr Infos unter: http://tanjaschaelfotografie.com/

Anja-Christina Rex: Was macht für Dich Suderwich aus?
Tanja Schael: Was ich an Suderwich schätze, ist der Dorfcharakter, aber auch die Anbindung an die anderen Ruhrgebietsstädte. Als unser Sohn ein Jahr alt war, sind wir hier hingezogen . Ich konnte in Suderwich alles per Fuß mit Kinderwagen erledigen, wie zum Beispiel einkaufen. Ursprünglich komme ich aus Solingen, hier habe ich die Situation damals sehr positiv aufgenommen. Das Leben mit Kindern ist in unserem Stadtteil sehr schön.

Anja-Christina Rex: Gibt es besondere Erinnerungen oder eine Begebenheit, die Du mit Suderwich verbindest?
Tanja Schael: Da ich hier leider nicht aufgewachsen bin, und erst später zugezogen bin, erinnere ich mich aber gerne an die vielen Spaziergänge, als unsere Kinder noch klein waren. Ich war oft mit dem Kinderwagen an den Ententeichen und am Gräftenhof.

Anja-Christina Rex: Inwieweit engagierst Du Dich in Suderwich und warum?
Tanja Schael: Ich bin halt super eingespannt durch die Arbeit und die Sportaktivitäten unserer Kinder sowie den Hund. Somit bleibt mir wenig Zeit für weiteres Engagement.

Anja-Christina Rex im Gespräch mit Tanja Schael

Anja-Christina Rex: Was gefällt Dir hier und was würdest Du gern ändern?
Tanja Schael: Was mir super gut gefällt, ist die Neugestaltung des Kreisverkehrs im Dorf. Das Umfeld hat sich positiv entwickelt und ist eine absolute Aufwertung für Suderwich. Da die Lösung so praktikabel ist, würde ich mir auch an der ehemaligen Mondgrotte so einen Kreisverkehr wünschen.
Gerne würde ich die Ausleuchtung der Schulstraße von der König-Ludwig-Trasse bis zur Schule optimieren.

Anja-Christina Rex: Was wünscht Du Dir für die Zukunft für Suderwich?
Tanja Schael: Ich wohne gerne hier und würde mir wünschen, dass Suderwich so bleibt, wie es ist. Schön wäre es, wenn es weniger Baustellen gäbe.

Anja-Christina Rex: Wenn ich Dir einen Wunsch erfüllen könnte, der Suderwich betrifft, was könnte das sein?
Tanja Schael: Was die Einkaufssituation betrifft, würde ich mir hier gerne einen Drogeriemarkt wünschen.

Kapitel 35


Hardenberg war nicht hinter Natascha hergelaufen. Er wusste, es war sinnlos. Missverständnisse über Missverständnisse entstanden zwischen ihnen mit jedem Wort, das er sagte. Er begriff nicht, warum sie weggelaufen war. Vielleicht war sie mit ihrer so sensiblen und impulsiven Art doch nicht die Richtige für ihn. Er hatte sich auf die Kaimauer gesetzt und schaute aufs Meer, als Ratberg ihn anrief und mitteilte, dass Frau Winter nach Hause wolle. Er hatte nur „Ja, ja!“ gemurmelt und das Handy wieder ausgestellt. Er schluckte. Es tat mehr als weh. Erst nach Stunden war er in der Lage, zum Schiff zurückzukehren. Dort herrschte Unruhe. Frau Hardenberg mit Tochter war noch nicht zurückgekommen und weder das Handy seiner Frau noch das seiner Tochter ließ sich anrufen. Es gab seltsamerweise keine Verbindung. Sie waren wohl schon gut zwei Stunden überfällig. Hardenberg ließ sich im Salon in einen Sessel fallen und verlangte einen Kaffee. Er würde selbst hinaus fahren - er wusste ja, wo sie mit Judith hin wollte - und beide einsammeln. Sie hatten bestimmt nur einen Platten oder so. Erst dann, wenn er sie nicht fand, konnte man die Polizei einschalten. Er ließ sich Proviant einpacken und aß noch ein Sandwich-Baguette. Dann fuhr er los.

Vielleicht war das alles ganz gut. Es würde ihn von seinen Gedanken an Natascha ablenken. Bald hatte er die Spitze des Passes erreicht. Aber nirgends fand er eine Spur von Ines‘ Wagen oder Unfallspuren. „Dann hätte uns die Polizei schon längst benachrichtigt!“ beruhigte er sich. Sie würde auf

einem der anderen Berge sein oder in den kleinen Dörfern abseits. Nur, was wollten die beiden Frauen in den Dörfern? Aber Frauen waren ja unergründlich, das hatte ihn ja erst vor ein paar Stunden das Treffen mit Natascha gelehrt. Er legte eine Autokarte ausgebreitet auf den Beifahrersitz, dann fuhr er wieder weiter. Aber auch auf dem nächsten und übernächsten Pass fand er keine Spur. Er stieg oben jeweils am höchsten Punkt aus und fragte in den Kiosken nach, soweit sie geöffnet waren, aber niemand konnte sich an eine ältere Frau mit 14-jähriger Tochter in einem dunkelgrünen Jaguar erinnern. „Wie viele fahren denn am Tag hier durch?“ fragte er den letzten Kioskbesitzer. „Nicht viel! So zehn am Tag ungefähr!“

„Dann kann man ja davon ausgehen, dass sie diesen Berg nicht hochgefahren ist!“

„So würde ich auch denken, Monsieur!“ Nachdenklich setzte er sich wieder in den Wagen und rief Ratberg an, ob die beiden eingetroffen seien. Die ernüchternde Antwort war wieder „nein“. Er legte das Handy beiseite und beschloss, in zwei weitere Dörfer zu fahren. Wenn sie dort auch nicht gewesen waren, oder noch waren, blieb nur eine furchteinflössende Lösung übrig. Er wagte nicht, es sich weiter auszumalen. Stattdessen gab er Gas und fuhr den Berg hinunter. Im ersten Dorf gab es nichts, nur eine Straße. Keinen Laden, kein Cafe, einfach nichts, wo sie hätten sein können.

Ratlos hielt er ein paar Passanten an und schilderte Frau, Tochter und Auto. Doch alle verneinten bedauernd. Im nächsten Dorf war es das gleiche. Hardenbergs Furcht wuchs. Er beschloss zur Yacht zurückzufahren. Vielleicht waren sie in der Zwischenzeit ja schon eingetroffen. Er wagte nicht anzurufen, um diese letzte Hoffnung nicht zu zerstören.


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Donnerstag, 16. November 2023

Freizeit & Kultur im Revier

Freizeit  & 

Kultur-Tipps


Metropole Ruhr (idr). Die Dachkammer ist kalt, der Magen knurrt – doch Rodolfo und seine Pariser Künstlerfreunde fühlen sich trotz ihrer Armut unbekümmert und vor allem frei. Ihre künstlerische Schaffenskraft verleiht der Gemeinschaft eine ausgelassene Lebensfreude. Doch das mittellose Dasein hat seine Schattenseite in Puccinis Oper "La Bohème": Rodolfo fehlt es an Geld, um seiner geliebten schwerkranken Mimì Medikamente zu kaufen. Das Stück feiert am 18. November, 19.30 Uhr, Premiere am Theater Hagen.

Sie sind berühmt und doch unbekannt: Frauen, die großen Künstlern wie Rembrandt, van Gogh und Ernst Ludwig Kirchner Modell gestanden haben, etwa das Mädchen mit dem Perlenohrring und die Dame mit dem Hermelin. Wer waren diese Frauen, wie haben sie gelebt? Die Schweizer Autorin Martina Clavadetscher hat sich auf eine biografische Spurensuche begeben und verleiht den Porträtierten eine Stimme. So werden die Gemälde zum Ausgangspunkt für berührende literarische Skizzen, denen Friederike Becht in "Vor aller Augen" im Theater Duisburg Leben einhaucht. Die Premiere am 17. November ist ausverkauft. Für die Vorstellung am 19. November, 19.30 Uhr, gibt es noch Karten.

Das Ruhrgebiet hat "Zeit für Zirkus". Vom 17. bis 19. November beteiligen sich fünf Städte - Bochum, Dortmund, Herne, Schwerte und Witten - am bundesweiten Festival für Zeitgenössischen Zirkus. Die Flottmann-Hallen in Herne etwa sind am 17. und 18. November Schauplatz für das Stück "Wir wollen nie nie nie" der Kompanie Raum 305, in dem Luftakrobatik, Physical Theatre und Tanz verschmelzen. In Dortmund widmet sich am 18. November das Fritz-Henßler-Haus mit einem mehrteiligen abendfüllenden Programm ganz dem Zirkus, etwa mit Physical Monkey und ihrem Programm "Gaia - Sane Again?".

Das Kunstmuseum Bochum feiert seinen 40. Geburtstag mit einer großen Gruppenausstellung unter dem Titel "Our house ist a very very very fine house". Für die Schau, die sich vom 18. November bis 28. April vom Außenraum über das Foyer und alle Ebenen des Museums erstreckt, haben 16 zeitgenössische Künstler an den Schnittstellen von Kunst, Architektur und Design neue Werke entwickelt, die konkret, abstrakt oder sinnlich auf die architektonischen Begebenheiten reagieren. Zu sehen ist eine Vielzahl an begeh- und benutzbaren architektonischen Strukturen und Installationen, die dazu einladen, das Museum und seine Architektur neu zu erleben.

Zum mittlerweile 31. Mal findet am 18. November ab 18 Uhr die Weihnachtskunstversteigerung der Kunsthalle Recklinghausen statt. Im Kunstbunker am Hauptbahnhof kommen knapp 130 Werke namhafter regionaler und internationaler Künstler unter den Hammer. Die Veranstaltung ist eine Kooperation mit dem Kunstverein Recklinghausen, dem Vestischen Künstlerbund und dem Förderverein für Bildende Kunst. Die Erlöse kommen zur Hälfte den teilnehmenden Künstlern und den beteiligten Vereinen zugute. Eine Vorbesichtigung der Werke ist am Versteigerungstag ab 11 Uhr in der Kunsthalle möglich.

Franziska Hauser liest am 16. November, 18 Uhr, im Lehmbruck Museum Duisburg aus ihrem Roman "Keine von ihnen": Grafikerin Jef schlägt sich in der Großstadt mehr schlecht als recht durchs Leben. Als sie durch eine übermütige Lüge und einen frisierten Lebenslauf zu den fünf ausgewählten Künstlern gehört, die ein Stipendium erhalten, kommt sie sich vor wie eine Hochstaplerin - und sie ist es ja auch. Ist Jef zu ungebildet, um die elitäre Kunst zu verstehen, oder steht sie in Wahrheit vor nichts als Fassade? Die Lesung findet im Rahmen der Reihe "Kunst lesen" des Literaturbüros Ruhr statt.

Kapitel 34


„Also, eigentlich“, begann er zögernd, „möchte ich mit dir unter vier Augen sprechen.“ Er schaute sie durchdringend an. „Entschuldige, was ich dich schon immer mal fragen wollte?“ Natascha zeigte auf seine Augen. „Sind die echt oder trägst du Farblinsen?“ Hardenberg musste grinsen und damit war der Ernst der Situation einer gewissen Fröhlichkeit gewichen. „Du bist mir eine!“ schmunzelte er, „aber ich kann dich beruhigen. Sie sind echt. Schau sie dir ruhig genau an!“ Er rückte sehr nah an Natascha heran und zog leicht ein Unterlid herunter. „Siehst Du, keine Linse!“ Natascha sog seinen Körperduft ein und atmete rascher. „Dann will ich Dir mal glauben!“ flüsterte sie mit heiserer Stimme. Am liebsten hätte sie jetzt auf der Stelle sein Gesicht umfasst und ihn geküsst. Sie spürte deutlich, dass es auch Hardenberg so ging und er schon eine winzige Bewegung auf ihren Mund zu machte.

Schnell rückte sie von ihm ab. Was tat sie da nur und hatte gestern Nacht getan?! Er war doch, verdammt noch mal verheiratet! Auch Hardenberg nahm wieder seine vorherige Position ein. „Nun, wir sind doch unter vier Augen, dann sprich doch!“ Ehe Hardenberg antworten konnte, trat ein Handwerker an ihn heran und bat ihn um sein Kommen. Er stand auf. „Ich komme gleich wieder, einen Moment, Natascha!“

Sie sah ihm hinterher. Was wollte er ihr sagen? Den Scheck für den gestrigen Abend hatte sie auf dem Tisch in ihrer Kabine vorgefunden, er hatte sogar eine höhere Summe ausgestellt, als sie vereinbart hatten. Also, was gab es noch zu regeln? Aber so sehr sie ihren innerlichen Aufruhr mit dieser Frage beruhigen wollte, so genau wusste ein anderer Teil in ihr Bescheid. Sie hatte keinen Hunger mehr und schob das Gedeck zurück. Sie lehnte sich zurück und beobachtete die Handwerker. Plötzlich spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter.

„Bist Du fertig? Dann komm!“ Er führte sie vom Schiff hinunter und sie gingen auf der Strandpromenade entlang. Er hielt den Kopf gesenkt und sagte kein Wort. Natascha schwieg ebenfalls. Sie wartete. Endlich blieb er stehen. „Natascha, wie oft habe ich mir diese Szene vorgestellt! Und Angst gehabt, sie zu verwirklichen! Natascha, ich liebe dich, wie ich nie zuvor eine Frau geliebt habe und lieben werde. Ich weiß, noch bin ich verheiratet, aber ich werde die Scheidung einreichen und dann…“ Sie unterbrach ihn kühl. „Das sagen alle verheirateten Männer. Dass sie die Scheidung einreichen und meistens kann die Frau dann warten, bis sie schwarz wird.“ Natascha schwieg und schaute ihn nicht an. Was sie weiter dachte, sagte sie nicht. Sie schaute auf ihre Schuhe. Hardenberg wollte sie wieder in den Arm nehmen, aber sie wehrte ihn ab. Dann drehte sie sich abrupt um und ging zum Schiff zurück. Ratberg stand an der Gangway und sie lief schnell zu ihm hinauf. „Wann geht mein Flieger, Herr Ratberg? Können Sie mir das sagen?“ Ihre Stimme klang ungeduldig. „Wann immer Sie möchten, Frau Winter!“ „Dann möchte ich sofort weg von hier!“ Ratberg räusperte sich. „Müssen Sie erst die Erlaubnis von Herrn Hardenberg einholen, dann tun Sie es! Bitte rufen Sie ihn an!“ Natascha ging schnellen Schrittes in ihre Kabine und holte ihre Sachen. Dafür war sie nun länger geblieben! Pah! Was hatte sie erwartet!? Rote Rosen? Einen Heiratsantrag? Ja, sie musste mit Tränen in den Augen vor sich zugeben, dass sie genau das-vielleicht ein bisschen weniger- erwartet hatte. Dass er ihr auf eine anständige Weise den Hof machte und sie nicht wie eine drittklassige Geliebte behandelte. Dafür war sie sich zu schade. Sie warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, dann ging sie hinaus. Vor der Gangway stand schon der Wagen bereit. Von Hardenberg nirgendwo eine Spur. Es war auch besser so. In ihrer Wut hätte sie ihm sonst böse Worte an den Kopf geworfen. Ratberg hielt ihr die Wagentür auf. Und schlug sie, als sie eingestiegen war, wieder zu. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, damit er ihre verräterisch funkelnden Augen, in denen sie die Tränen kaum zurückhalten konnte, nicht im Rückspiegel sah. Der Wagen glitt geräuschlos vorwärts. Sie warf keinen Blick zurück. Das Kapitel Hardenberg war für sie abgeschlossen. Ein für alle Mal.

Mittwoch, 15. November 2023

Kapitel 33


Seine Stunde mit ihr würde schon kommen. Für den krönenden Abschluss hatte er ein großes Feuerwerk an Land geplant, von dem außer ihm und den Pyrotechnikern niemand wusste. Er freute sich schon jetzt auf die entzückten Gesichter der jungen Leute. Danach würde er bekannt geben, dass die Party zu Ende war. Wie geplant, wurde das Feuerwerk die größte Überraschung. Er hatte nicht an den besten Pyrotechnikern gespart, vom Band lief majestätisch die Feuerwerksmusik von Händel und er sah bei etlichen jungen Frauen, aber auch Männern, wie sie sich verstohlen ein paar Tränen der Ergriffenheit aus den Augenwinkeln wischten. Als es vorbei und der letzte Ton verklungen war, wartete er noch ein paar Minuten, dann trat er ans Mikrofon und erklärte die Party für beendet. Natascha hatte er nicht mehr unter den Gästen gesehen. Sie war wohl schon schlafen gegangen. Vielleicht hatte sie das Feuerwerk ja von ihrer Kabine aus beobachtet. Er war daher wirklich überrascht, ihr auf dem Vorderdeck zu begegnen, wo sie, allein, in einen seiner Gästebademantel gehüllt, an der Reling stand.

Hardenberg trat neben sie.

„Hat Ihnen das Fest gefallen?“ fragte er beiläufig, während er in das dunkle Wasser schaute. „Ja!“ antwortete sie schlicht.

„Jetzt will ich aber wieder ins Bett, sonst verschlafe ich noch den ganzen Morgen.“ „Gute Nacht, Natascha!“ Hardenberg schaute sie an. Sie gab seinen Blick zurück. Schweigend schauten sie, bis sich Hardenberg aus der Erstarrung löste und sie plötzlich in die Arme nahm und küsste. Sie wehrte sich nur kurz, dann erwiderte sie seufzend seinen Kuss.


Natascha wachte am frühen Morgen trotz des kurzen Schlafs erfrischt auf. Sie war wohl nicht die Erste, denn draußen hörte sie schon Stimmen und Schritte. Ihre Morgentoilette dauerte nicht lange und kurze Zeit später war sie schon im Salon. Die Handwerker hatten ihr Möglichstes getan, ihn so schnell wie möglich wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Der Flügel war schon weg, auch die Discokugeln bis auf zwei alle ab -montiert und die Blumenarrangements hatte man wohl auf dem ganzen Schiff verteilt. Sie sah Hardenberg schon in einem Sessel an einem Tisch sitzen und frühstücken. „Darf ich mich dazu setzen?“, fragte sie „oder ist der Platz für die Ehefrau reserviert?“

„Der Platz ist frei, meine Frau ist schon seit zwei Stunden unterwegs. Sie ist mit Judith in die Berge hinauf“, er machte eine weitläufige Bewegung hinter sich, „mit dem Auto. Es ist der letzte Ausflug sozusagen, denn Judith fährt morgen früh ins Internat.“

Natascha nahm Platz. Ein Stewart erschien sofort und fragte nach ihren Wünschen. Sie bestellte sich ein Croissant und einen Milchkaffee.

„Ich finde ja, die Franzosen können nicht frühstücken!“ sagte Hardenberg. „Schon der Kaffee ist eine Zumutung! Aber ich will niemanden den Appetit verderben“, sagte er entschuldigend, als der Steward das Gewünschte brachte. Natascha biss mit Genuss in das noch heiße Gebäck und nahm einen großen Schluck Kaffee. „Und was haben Sie mit mir vor,…“ Er unterbrach sie. „Bitte, sag Du zu mir, Natascha! Nach gestern Nacht…“ Sie zögerte einen Moment, dann sprach sie weiter: „Was hast Du mit mir vor, da Du mich ja batest, bis heute Mittag zu bleiben?“ Sie sah ihn direkt an.


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