Kurzgeschichte zum Sommer


Die alte Schreibmaschine


von Dirk Hoffmann

ONsüd-Bild: Adobe Express
Es war irgendwann im Juni. Die Sonne brannte schon am frühen Morgen heiß auf die Welt herab. Ich spazierte zwischen unzähligen Tischen umher, auf denen Menschen alte und neue Waren zum Kauf anboten. Es roch nach alten Büchern und vergangenen Zeiten. Ich mochte die Flohmarkt-Atmosphäre. Mein Plan war, mir alles anzusehen und abzuwarten. Irgendwann würde ein Objekt mein Interesse wecken. An diesem Tag dauerte es etwa eine halbe Stunde. Ich fand mich vor einem Tisch oller Bücher. Unter anderem entdeckte ich eine Bibelausgabe aus den 40er Jahren. Daneben lag ein ziemlich vergilbter Herr der Ringe. Die gesammelten Werke von Johann Wolfgang Goethe. Hinter Goethe gewahrte ich eine Schreibmaschine. Sie war eingestaubt und doch war ein Blatt eingespannt. Meine Finger griffen direkt nach den Tasten. Kein Zweifel sie wollten schreiben.
„Nur zu“, sagte eine tiefe freundliche Stimme, „schreiben sie“.
„Oh, entschuldigen sie“, hörte ich mich antworten, „sie steht so einladend da“.
„So soll es ja auch sein“, erklärte der Mann, „stellen sie sich vor, sie dürfen sie sogar kaufen“.
„Das denke ich mir“, gab ich zurück.
„Jetzt probieren sie die Maschine schon aus“, forderte er mich erneut auf.
Ich begann zu tippen:
Diese Schreibmaschine schreibt für
„Für wen schreibt sie denn?“, erkundigte sich der Händler.
Plötzlich fragte ich mich selbst, was ich da wohl schrieb.
„Keine Ahnung“, fiel mir lediglich ein.
Schließlich mussten wir beide lachen.
„Haben sie selbst damit geschrieben?“, lenkte ich das Thema einfach auf mein Gegenüber.
„Nein, das ist nichts für mich“, meinte der Händler, „ich verkaufe sie für einen Freund“.
„Und der ist Schriftsteller?“
„Das weiß ich nicht genau. Wie ist es mit ihnen, schreiben sie ?“
Was sollte ich darauf antworten?
„Hobbyschriftsteller vielleicht. Ich hab die eine oder andere Kurzgeschichte verfasst. Aber nicht auf einer Schreibmaschine“.
„Womöglich machen sie das jetzt. Sagen wir 50 Euro und sie gehört ihnen“, schlug der Händler vor.
Der Preis war schon in Ordnung dachte ich. Dennoch setzt ich ihm ein Gebot von 40 Euro entgegen. Schließlich einigten wir uns auf 45 Euro.
„Viel Spaß damit und gutes Gelingen“, sagte der Händler zum Abschied.
Ich machte mich auf den Heimweg und begann sofort auf meiner neuen Maschine eine Geschichte zu schreiben. Ich fühlte, dass ich eine richtige Entscheidung getroffen hatte.

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