Dienstag, 21. November 2023

Kapitel 39


Hardenberg lehnte am Balkon einer Suite in einem Athener Hotel, in dem er nun schon seit mehreren Jahren wohnte. Er war nach dem Tod seiner Familie in tiefste Melancholie und Schuldgefühle gefallen und folgte nur widerwillig dem Rat seines Arztes, sich eine lange Pause zu gönnen und Abstand auch im geographischen Sinne zu nehmen. Schließlich übergab Hardenberg seine Firma einem Stellvertreter. Die Yacht in Monaco hatte er sofort nach dem Tod seiner Familie verkauft. Schon acht Tage später hatte sie den Besitzer gewechselt. Er hatte sie nie mehr betreten, ebenso wenig wie er Monaco wiedersehen wollte. Allein war er nach Athen gekommen, hatte Ablenkung gesucht für seine Trauer. Der Lärm der Stadt mit ihren stetigen, Tag und Nacht erklingenden Autogeräuschen, dem Geschrei der Straßenverkäufer, dem Getrappel der vielen, vielen Menschenfüße, half ihm, seine Tragödie weniger zu spüren. Die erhabenen Tempel und Museen, die Berge ringsherum und das berühmte griechische Licht taten ein übriges. Es war eine Wohltat geworden, kein Personal mehr zu haben und keine Geschäfte mehr zu machen. Die einfache Suite war ihm vollends genug. Er brauchte keinen Reichtum mehr um sich. Ab und zu hin ging er in die Konzerte, die in der Stadt angeboten wurden. So auch an diesem Abend. Das Ehepaar neben seiner Suite hatte überstürzt abreisen müssen und hatte ihm eine Konzertkarte für den heutigen Abend überlassen. Ein Klavierabend würde in der wiederaufgebauten Stoa gegeben, hatten sie ihm noch gesagt, bevor sie weg mussten. Er konnte trotz der langen Zeit in Griechenland die Schrift auf den Karten immer noch nicht entziffern. Er hatte einen guten Anzug aus dem Schrank genommen, ging duschen und machte sich ausgehfertig. Der Abend war sehr warm, aber nicht schwül. Als er im Taxi saß, war er froh, dass er jetzt in einem Land lebte, wo die Menschen immer freundlich zu sein schienen und viel lachten.


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Montag, 20. November 2023

Kapitel 38


Ohne dass er etwas zu sagen brauchte, stellte ein Mädchen einen Krug mit frischen Orangensaft und einen mit Eiswasser und Gläsern auf den Beistelltisch. Der Kommissar goss sich ein Glas ein. „Ja, mein lieber Monsieur Hardenberg, das ist im Moment sehr traurig. Aber wie ich schon sagte, es braucht nichts Schlimmes zu bedeuten!“ Er winkte zwei seiner Männer heran. „Dies ist Monsieur Dupont und dieser Monsieur Grand. Sie würden sich gern mit ihrer Funk-und Telefonanlage an Bord beschäftigen. Falls Erpressungsanrufe kommen.“ Beide Herren gaben Hardenberg die Hand und verschwanden dann in Ratbergs Begleitung unter Deck. „Es bleibt uns jetzt nichts anderes als zu warten.“ sagte der dickleibige Kommissar und lehnte sich zurück. „Meine Leute sind tüchtig! Sie werden Ihre Frau und Ihre Tochter finden!“ Danach schwieg er und auch Hardenberg sagte nichts mehr. Die Sonne sank tiefer und tiefer und versank schließlich im Meer. Doch niemand schaute auf das großartige Farbenspiel. Es wurde dämmerig, es wurde schließlich dunkel. Da fiel in das Schweigen auf dem Schiff plötzlich ein Knacken des Funkgerätes, das der Kommissar auf den Tisch gestellt hatte. Er schaltete es auf Empfang. „Hallo, hallo!“ Der Anrufer sprach französisch und Hardenberg konnte es kaum verstehen. Der Kommissar nickte und schaltete den Empfang wieder aus. Dann räusperte er sich. Hardenberg spürte, dass nichts Gutes ihn erwartete. Was war geschehen? Der Kommissar legte eine Hand auf Hardenbergs Schulter. Er war aufgestanden. Auch Hardenberg hatte sich erhoben. „Sie müssen jetzt ganz fest sein, Monsieur! Wir, wir…haben Ihre Frau und Ihre Tochter gefunden. Sie…sie…“ er rang nach Worten. Dann sagte er ganz nüchtern: „Sie sind abgestürzt in einer Kehre am Berg!“ Hardenberg unterbrach ihn heiser: „Sind Sie verletzt? Sagen Sie…“ Der Kommissar wandte sich halb ab, als er antwortete und seine Stimme war dumpf und leise: „Nein, Monsieur, sie sind tot!“


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Sonntag, 19. November 2023

Veranstaltungshinweis und Aufruf


Patronatsfest und Barbara-Markt
am 4. Dezember in St. Barbara


Für die Krippenausstellung werden noch Interessenten
gesucht, die ihre Krippe ausstellen möchten.
ONsuderwich-Bild: Sebastian Pokojski
Schöne Ereignisse werfen ihre "Strahlen" voraus. Auch in diesem Jahr wird  wieder am 04.12.2023 in St. Barbara das Patronatsfest mit Barbara-Markt gefeiert.
Geplant ist eine Krippenausstellung in der Kapelle und dabei sind die Organisator*innen auf Ihre Hilfe angewiesen. Wer seine Krippe auch gerne mal ausstellen möchte, hat an diesem Tag die Gelegenheit dazu.
Informationen zu den Einzelheiten geben Judith Pieper und Monika Mühlenbrock (Handy-Nr.: 0160/ 95 78 13 45)
Start des Barbara-Marktes ist um 16.00 Uhr. In adventlicher Atmosphäre möchten die Veranstalter gemeinsam mit den Gästen ein paar frohe Stunden verleben. Das erwartet die Gäste: kunsthandwerkliche Kreativangebote, Aufführungen der Tanzmäuse und Tanzzwerge des Familienzentrums St. Barbara, gemeinsames Adventssingen. Als Gäste begrüßen die Initiatoren die Martinsbläser aus St. Martinus, Westerholt. Alle sind herzlich eingeladen.
Auch für das leibliche Wohl für Groß und Klein ist gesorgt.


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Kapitel 37


Ines und Judith waren, als er aufs Schiff ging, noch nicht da. Es war mittlerweile Abend geworden. Hardenberg beschloss, jetzt die Polizei einzuschalten. Er rief in der Polizeistation von Monaco an und gab an, dass er seit dem Nachmittag Frau und Tochter vermisste. Der Polizei-Chef persönlich versprach zum Schiff hinaus zu kommen und eine Mannschaft von 20 Polizisten hoch in die Berge und in die nähere Umgebung zu schicken. Noch war es hell. Etwa vier Stunden lang würde man noch gut suchen können. Hardenberg musste schlucken und legte auf. Sowenig er sich mit Ines auch verstanden hatte und so fremd ihm sein eigenes Kind oft gewesen war, solch ein Ende musste es nicht nehmen. Er wischte sich über die Augen, stand auf und stützte sich auf die Reling. Auf dem Schiff war es mucksmäuschenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die zwei spanischen Zimmermädchen bekreuzigten sich ab und zu, bei einer sah er, dass ihre Finger emsig und immer wieder einen Rosenkranz umrundeten. Er wollte ihnen zunicken, aber er unterließ es, denn er hatte das Gefühl, es wäre ein Eingeständnis gewesen, dass Frau und Kind ein Unglück zugestoßen war. Der Polizei-Chef hatte ihm gesagt, man müsse durch Hardenbergs exponierte finanzielle Situation auch an eine Entführung denken. Seine Finger umkrampften das noch sonnenwarme Geländer. Sollte das Fest für Judith solch eine Wendung genommen haben? Ratberg stand, wie immer korrekt in Dienstuniform, an Deck. Hardenberg sagte ihm, dass er ihm die Ankunft des Polizeichefs ankündigen solle. Er ging unter Deck. Sein Kopf schmerzte, er wollte sich ein bisschen hinlegen. Er konnte im Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er machte sich eine Schmerztablette zurecht und trank das Getränk in einem einzigen Zug aus. Dann legte er sich hin. Hier in seinem Raum war es angenehm kühl und dunkel. Die Mädchen hatten auf seinen Wunsch hin die Vorhänge zugezogen gelassen. Die Pause war nur von kurzer Dauer. Schon hörte er das Hupen eines Autos am Landesteg. Er stand auf und ging nach oben. Ratberg begegnete ihm. „Ist gut, mein Lieber!“ Er klopfte ihm auf die Schulter und trat ins Abendlicht. Der Kommissar kam gerade die Gangway mit ausgestreckten Armen hoch. Überschwänglich begrüßte er Hardenberg und dieser nötigte ihn, sich zur Lagebesprechung unter das Sonnensegel in die Kühle des Schattens zu setzen.


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Samstag, 18. November 2023

Kapitel 36


Natascha war froh, als sie endlich im Helikopter saß. Sie versuchte es sich, so gut es ging, bequem zu machen und schloss die Augen. Sie wollte schlafen. Aber so sehr sie sich auch bemühte, der Schlaf wollte und wollte nicht kommen. Wenn sie kurz einnickte, sah Hardenberg sie mit traurigen Augen an. Und sie fuhr erschrocken hoch. Der Copilot fragte, ob sie sich einen Film auf einem kleinen Display ansehen wolle. Natascha entschied sich für eine Komödie. Das tat gut, mal die eigene Realität zu vergessen und in etwas anderes, lustigeres einzutauchen. Für Minuten erst und schließlich eineinhalb Stunden lang vergaß Natascha das, was sie heute erlebt hatte und lachte und freute sich. Aber jeder Film hat ein Ende und der Katzenjammer folgte auf dem Fuß. Und so entschied sie sich für einen neuen und noch einen. Zwischendurch mussten sie einmal landen und den Tank wieder auffüllen. Dieses Mal schenkte sie dem Treiben kaum Beachtung. Sie wusste, sie sass im exklusivsten Helikopter, den man sich nur leisten konnte, dem Airbus-Helikopter, der 220 km/std flog, einem Hightechgerät der Extraklasse.

Mit den Worten „Wir sind im Landeanflug über Ihrem Garten, Frau Winter!“ brachte sie der Pilot wieder in den Tag zurück. Sie waren nur sechseinhalb Stunden in der Luft gewesen. Fast bedauerte sie, den gesamten Flug nicht weiter beachtet zu haben, aber so war es auch gut. Sie war ausgeruht und frisch, als sie sich beim Piloten und Copiloten bedankte und gebückt unter den rotierenden Rotorblättern hinüber zu ihren Eltern lief. Zu ihrer Überraschung stand auch Jens neben ihnen und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, war sie richtig froh, dass er da war. Sie flog in seine Arme und drückte sich an ihn. „Halt mich ganz fest, Jens!“ flüsterte sie. Er hatte sie noch nie so erlebt und war überglücklich. Er hielt sie fest umschlungen in seinen Armen. „Kommen wir armen Eltern auch noch mal dran?“ rief der Vater. „Der Hubschrauber ist schon lange weg, und sie liegt immer noch in Jens‘ Armen!

Hallo, wir sind auch noch da!“

Natascha musste lachen und umarmte ihren Vater und ihre Mutter. Auch Stine bekam einen kräftigen Schmatz auf die runzlige Wange. „So, nun lasst uns mal reingehen!“ rief diese und stiefelte mit kurzen, schnellen Schritten voran. Sie folgten ihr redend und lachend. Stine hatte ein Käsefondue vorbereitet und sie setzten sich, nachdem sich Natascha frisch gemacht und umgezogen hatte, an den gemütlichen Tisch vor dem Kamin. „Und nun erzähl mal, was du gesehen hast, Kind!“ forderte sie der Vater auf. „Der Mensch muss ja märchenhaft reich sein, wenn er einen eigenen Hubschrauber und eine Yacht besitzt! Wie groß war die denn?“ „Das weiß ich nicht so genau, aber sie war recht groß. Die Größte, die da vor Anker lag. Das Fest, das er seiner Tochter gegeben hat, war sehr, sehr beeindruckend, wirklich!“ Sie wollte noch hinzufügen „aber so richtig gut, wie ihr beide, verstehen sich die Eheleute Hardenberg nicht.“ Jedoch biss sie sich auf die Zunge und sagte nichts. Das ging keinen Fremden etwas an. Am nächsten Morgen fuhr sie mit Jens zurück nach Hamburg. Sie musste noch die Wohnung kündigen und den Umzug nach München organisieren. Vorher musste alles in Kisten verpackt werden, Bücher, Geschirr, Krimskrams und Noten. Die Möbel blieben in der Wohnung, Natascha hatte sie möbliert gemietet. Jetzt war sie froh darüber, war doch so ein Umzug um vieles im wahrsten Sinn des Wortes leichter. Sie hatte geplant, in einer Woche alles über die Bühne gebracht zu haben, einschließlich des Einrichtens der neuen Wohnung, die ihr das Orchester in München ebenfalls möbliert gestellt hatte. Jens hatte noch zwei Kumpel organisiert, die das Herunterschleppen der Kisten in den kleinen, alten Ford Transit, der einem von ihnen gehörte, übernahmen. Mit Jens zusammen würde sie damit nach München fahren und dort in Ruhe auspacken. Den Wagen würde Jens dann wieder nach Hamburg zurückfahren. Sie hätte nie gedacht, dass ihr der Gedanke an den baldigen Abschied von ihm weh tun würde. Sie wusste, dass sie nur ein Jahr getrennt sein würden, dann wollte Jens nachkommen, aber dunkel war ihr auch klar, dass ein Jahr in einem Menschenleben viel verändern kann. Jens würde einen treuen und einen sich um sie sorgenden Ehemann abgeben, der bereit war, alles für seine Frau und Familie zu tun. Das erkannte sie klar aus seinem Verhalten ihr gegenüber. Er log sie nicht an, wie Hardenberg es getan hatte, er betete sie nur an und hatte nicht nebenbei noch eine weitere Freundin. Auf ihn war zweihundertprozentig Verlass. Solche Menschen fand man selten, das war ihr klar und doch… Ihr Herz schlug schneller, wenn sie an Hardenberg dachte.


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Freitag, 17. November 2023

Suderwicher Gesichter

 

Suderwicher Gesichter

(sepo) Gemeinsam mit der CDU-Lokalpolitikerin Anja-Christina Rex haben wir Anfang des Jahres eine Interview-Reihe gestartet. Die junge und engagierte Mutter trifft bekannte Menschen aus Suderwich und kommt mit ihnen ins Gespräch. Wir von ONsuderwich dokumentieren die Treffen und berichten im Folgenden über die Antworten zu den Fragen von Anja-Christina Rex.

Fotos: Sebastian Pokojski


Teil 11 Anja-Christina Rex trifft Tanja Schael

Steckbrief: Tanja Schael ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie lebt und arbeitet als selbstständige Fotografin seit 14 Jahren in Suderwich.
Mehr Infos unter: http://tanjaschaelfotografie.com/

Anja-Christina Rex: Was macht für Dich Suderwich aus?
Tanja Schael: Was ich an Suderwich schätze, ist der Dorfcharakter, aber auch die Anbindung an die anderen Ruhrgebietsstädte. Als unser Sohn ein Jahr alt war, sind wir hier hingezogen . Ich konnte in Suderwich alles per Fuß mit Kinderwagen erledigen, wie zum Beispiel einkaufen. Ursprünglich komme ich aus Solingen, hier habe ich die Situation damals sehr positiv aufgenommen. Das Leben mit Kindern ist in unserem Stadtteil sehr schön.

Anja-Christina Rex: Gibt es besondere Erinnerungen oder eine Begebenheit, die Du mit Suderwich verbindest?
Tanja Schael: Da ich hier leider nicht aufgewachsen bin, und erst später zugezogen bin, erinnere ich mich aber gerne an die vielen Spaziergänge, als unsere Kinder noch klein waren. Ich war oft mit dem Kinderwagen an den Ententeichen und am Gräftenhof.

Anja-Christina Rex: Inwieweit engagierst Du Dich in Suderwich und warum?
Tanja Schael: Ich bin halt super eingespannt durch die Arbeit und die Sportaktivitäten unserer Kinder sowie den Hund. Somit bleibt mir wenig Zeit für weiteres Engagement.

Anja-Christina Rex im Gespräch mit Tanja Schael

Anja-Christina Rex: Was gefällt Dir hier und was würdest Du gern ändern?
Tanja Schael: Was mir super gut gefällt, ist die Neugestaltung des Kreisverkehrs im Dorf. Das Umfeld hat sich positiv entwickelt und ist eine absolute Aufwertung für Suderwich. Da die Lösung so praktikabel ist, würde ich mir auch an der ehemaligen Mondgrotte so einen Kreisverkehr wünschen.
Gerne würde ich die Ausleuchtung der Schulstraße von der König-Ludwig-Trasse bis zur Schule optimieren.

Anja-Christina Rex: Was wünscht Du Dir für die Zukunft für Suderwich?
Tanja Schael: Ich wohne gerne hier und würde mir wünschen, dass Suderwich so bleibt, wie es ist. Schön wäre es, wenn es weniger Baustellen gäbe.

Anja-Christina Rex: Wenn ich Dir einen Wunsch erfüllen könnte, der Suderwich betrifft, was könnte das sein?
Tanja Schael: Was die Einkaufssituation betrifft, würde ich mir hier gerne einen Drogeriemarkt wünschen.

Kapitel 35


Hardenberg war nicht hinter Natascha hergelaufen. Er wusste, es war sinnlos. Missverständnisse über Missverständnisse entstanden zwischen ihnen mit jedem Wort, das er sagte. Er begriff nicht, warum sie weggelaufen war. Vielleicht war sie mit ihrer so sensiblen und impulsiven Art doch nicht die Richtige für ihn. Er hatte sich auf die Kaimauer gesetzt und schaute aufs Meer, als Ratberg ihn anrief und mitteilte, dass Frau Winter nach Hause wolle. Er hatte nur „Ja, ja!“ gemurmelt und das Handy wieder ausgestellt. Er schluckte. Es tat mehr als weh. Erst nach Stunden war er in der Lage, zum Schiff zurückzukehren. Dort herrschte Unruhe. Frau Hardenberg mit Tochter war noch nicht zurückgekommen und weder das Handy seiner Frau noch das seiner Tochter ließ sich anrufen. Es gab seltsamerweise keine Verbindung. Sie waren wohl schon gut zwei Stunden überfällig. Hardenberg ließ sich im Salon in einen Sessel fallen und verlangte einen Kaffee. Er würde selbst hinaus fahren - er wusste ja, wo sie mit Judith hin wollte - und beide einsammeln. Sie hatten bestimmt nur einen Platten oder so. Erst dann, wenn er sie nicht fand, konnte man die Polizei einschalten. Er ließ sich Proviant einpacken und aß noch ein Sandwich-Baguette. Dann fuhr er los.

Vielleicht war das alles ganz gut. Es würde ihn von seinen Gedanken an Natascha ablenken. Bald hatte er die Spitze des Passes erreicht. Aber nirgends fand er eine Spur von Ines‘ Wagen oder Unfallspuren. „Dann hätte uns die Polizei schon längst benachrichtigt!“ beruhigte er sich. Sie würde auf

einem der anderen Berge sein oder in den kleinen Dörfern abseits. Nur, was wollten die beiden Frauen in den Dörfern? Aber Frauen waren ja unergründlich, das hatte ihn ja erst vor ein paar Stunden das Treffen mit Natascha gelehrt. Er legte eine Autokarte ausgebreitet auf den Beifahrersitz, dann fuhr er wieder weiter. Aber auch auf dem nächsten und übernächsten Pass fand er keine Spur. Er stieg oben jeweils am höchsten Punkt aus und fragte in den Kiosken nach, soweit sie geöffnet waren, aber niemand konnte sich an eine ältere Frau mit 14-jähriger Tochter in einem dunkelgrünen Jaguar erinnern. „Wie viele fahren denn am Tag hier durch?“ fragte er den letzten Kioskbesitzer. „Nicht viel! So zehn am Tag ungefähr!“

„Dann kann man ja davon ausgehen, dass sie diesen Berg nicht hochgefahren ist!“

„So würde ich auch denken, Monsieur!“ Nachdenklich setzte er sich wieder in den Wagen und rief Ratberg an, ob die beiden eingetroffen seien. Die ernüchternde Antwort war wieder „nein“. Er legte das Handy beiseite und beschloss, in zwei weitere Dörfer zu fahren. Wenn sie dort auch nicht gewesen waren, oder noch waren, blieb nur eine furchteinflössende Lösung übrig. Er wagte nicht, es sich weiter auszumalen. Stattdessen gab er Gas und fuhr den Berg hinunter. Im ersten Dorf gab es nichts, nur eine Straße. Keinen Laden, kein Cafe, einfach nichts, wo sie hätten sein können.

Ratlos hielt er ein paar Passanten an und schilderte Frau, Tochter und Auto. Doch alle verneinten bedauernd. Im nächsten Dorf war es das gleiche. Hardenbergs Furcht wuchs. Er beschloss zur Yacht zurückzufahren. Vielleicht waren sie in der Zwischenzeit ja schon eingetroffen. Er wagte nicht anzurufen, um diese letzte Hoffnung nicht zu zerstören.


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