ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski |
aus dem Fenster
von Katharina Kumeko
Morgens gilt mein erster Blick aus dem Fenster zuerst den Wolken, und danach den grünen „Riesen“, die treu und ergeben jeden Tag auf einem großen Rasenkarree hinter den Häusern stehen.
Mein Blick umfasst sie alle liebevoll. Gezählt habe ich sie damals, als ich einzog: es sind dreizehn an der Zahl. Alle sind hochgewachsen, um die zwölf bis fünfzehn Meter hoch, und bestimmt schon weit über fünfzig Jahre alt.
Ein mächtiger Goldregenbaum und zwei gebeugt wachsende, knorrige Weißdorne stehen genau gegenüber meinem Fenster; etwas weiter weg sechs Ahornbäume, und ein Feldahorn nahe am Haus. Letzteren hielt ich wegen seiner Blätter zunächst für eine Eiche. Das Merkwürdige war nur: ich fand im Herbst keine Eicheln! Das gab’s doch gar nicht, oder? Eine Eiche ohne Eicheln!?
Ich schaute mir die Augen aus, wunderte mich und suchte, stets ohne Erfolg- bis ich mir die Mühe machte, seine Blätter genauer mit einem Lexikon zu bestimmen. Und siehe da, die vermeintliche Eiche entpuppte sich als ein Feldahorn im Gegensatz zu ihren Brüdern, den Spitzahornen und Bergahornen. Dieser stattliche Baum wächst wie ein großer Wächter ganz nahe am Haus - so nah, dass ich durch das offene Fenster einige seiner Zweige anfassen kann. Außerdem gibt es noch mehrere Hainbuchen. Das Konzert, dass die Vögel früh morgens gut gelaunt in allen Bäumen geben, ist Gold wert.
Kein Tag, an dem ich aus dem Fenster blicke, ist langweilig, solange der Blick auf diese alten „Riesen“ fällt.
Mit ihnen erlebe ich Jahr für Jahr den Wechsel der Jahreszeiten - so intensiv, wie ich ihn nicht einmal auf dem Land erlebt habe.
Berauschender Duft, in erster Linie dem blühenden Weißdorn geschuldet, prägt das Frühjahr. An hochsommerlichen Tagen sitze ich oft und gern in ihrem Schatten, der so viel kühler und angenehmer ist als jede Markise. Der Herbst überrascht mit den samtigen altrosafarbenen Rückseiten der unzähligen, zu Boden segelnden Ahornblätter und ihren propellerartig in die Tiefe stürzenden Samenständen.
Mehrere fielen in leere, nur mit Erde gefüllte Blumentöpfe auf meinem Balkon und keimten im nächsten Frühjahr. So begann ich mit erwachender Leidenschaft aus ihnen zwei Ahornbäumchen zu ziehen und sie zu Bonsais zu stutzen.
Der Winter machte mich mit den weithin hörbaren knackenden Geräuschen der letzten, welken Blätter an den Bäumen vertraut, die die ersten Frostnächte hinter sich haben. Mittlerweile habe ich sogar die Bekanntschaft von Walnussbäumen gemacht. Diese lassen sich im Frühjahr unendlich lange Zeit, bis sie ihre ersten Blätter austreiben.
Der faszinierendste Baum jedoch, finde ich, ist der Gingko. Nicht nur wegen seiner schönen zweigeteilten Lappenblätter - die Chinesen nennen ihn sehr treffend „Entenfussbaum“, - sondern weil sie in China durch ihre Form auch Yin und Yang symbolisieren. Aber nicht nur das zeichnet ihn aus, auch seine goldgelbe Färbung im Herbst ist einmalig. Er kann über tausend Jahre alt werden, wenn man ihn lässt. Gingkobäume waren die ersten Bäume, die nach der Atombombenexplosion in Hiroshima wieder zu wachsen begannen, und sechs dieser Bäume haben diese sogar überlebt und wachsen heute noch. Aber er ist nicht nur faszinierend wegen dieser erstaunlichen Fakten, sondern auch, weil er zu unseren erdgeschichtlich ältesten Bäumen überhaupt gehört. Er ist ein Baum aus dem Jura, das Geologen vor 201- 145 Millionen Jahren ansiedeln und hat sich seit 200 Millionen Jahren nicht verändert.
Ihn anzusehen, bedeutet für mich, einen Blick in die fernste Vergangenheit unserer Erde werfen zu können und das ist, finde ich,- für mich jedenfalls, -ein erhebendes Gefühl. Und es zeigt mir, wie kostbar eigentlich unsere Welt ist. Und wie sehr wir Menschen darauf bedacht sein sollten, sie zu ehren und zu schützen
von Katharina Kumeko
Morgens gilt mein erster Blick aus dem Fenster zuerst den Wolken, und danach den grünen „Riesen“, die treu und ergeben jeden Tag auf einem großen Rasenkarree hinter den Häusern stehen.
Mein Blick umfasst sie alle liebevoll. Gezählt habe ich sie damals, als ich einzog: es sind dreizehn an der Zahl. Alle sind hochgewachsen, um die zwölf bis fünfzehn Meter hoch, und bestimmt schon weit über fünfzig Jahre alt.
Ein mächtiger Goldregenbaum und zwei gebeugt wachsende, knorrige Weißdorne stehen genau gegenüber meinem Fenster; etwas weiter weg sechs Ahornbäume, und ein Feldahorn nahe am Haus. Letzteren hielt ich wegen seiner Blätter zunächst für eine Eiche. Das Merkwürdige war nur: ich fand im Herbst keine Eicheln! Das gab’s doch gar nicht, oder? Eine Eiche ohne Eicheln!?
Ich schaute mir die Augen aus, wunderte mich und suchte, stets ohne Erfolg- bis ich mir die Mühe machte, seine Blätter genauer mit einem Lexikon zu bestimmen. Und siehe da, die vermeintliche Eiche entpuppte sich als ein Feldahorn im Gegensatz zu ihren Brüdern, den Spitzahornen und Bergahornen. Dieser stattliche Baum wächst wie ein großer Wächter ganz nahe am Haus - so nah, dass ich durch das offene Fenster einige seiner Zweige anfassen kann. Außerdem gibt es noch mehrere Hainbuchen. Das Konzert, dass die Vögel früh morgens gut gelaunt in allen Bäumen geben, ist Gold wert.
Kein Tag, an dem ich aus dem Fenster blicke, ist langweilig, solange der Blick auf diese alten „Riesen“ fällt.
Mit ihnen erlebe ich Jahr für Jahr den Wechsel der Jahreszeiten - so intensiv, wie ich ihn nicht einmal auf dem Land erlebt habe.
Berauschender Duft, in erster Linie dem blühenden Weißdorn geschuldet, prägt das Frühjahr. An hochsommerlichen Tagen sitze ich oft und gern in ihrem Schatten, der so viel kühler und angenehmer ist als jede Markise. Der Herbst überrascht mit den samtigen altrosafarbenen Rückseiten der unzähligen, zu Boden segelnden Ahornblätter und ihren propellerartig in die Tiefe stürzenden Samenständen.
Mehrere fielen in leere, nur mit Erde gefüllte Blumentöpfe auf meinem Balkon und keimten im nächsten Frühjahr. So begann ich mit erwachender Leidenschaft aus ihnen zwei Ahornbäumchen zu ziehen und sie zu Bonsais zu stutzen.
Der Winter machte mich mit den weithin hörbaren knackenden Geräuschen der letzten, welken Blätter an den Bäumen vertraut, die die ersten Frostnächte hinter sich haben. Mittlerweile habe ich sogar die Bekanntschaft von Walnussbäumen gemacht. Diese lassen sich im Frühjahr unendlich lange Zeit, bis sie ihre ersten Blätter austreiben.
Der faszinierendste Baum jedoch, finde ich, ist der Gingko. Nicht nur wegen seiner schönen zweigeteilten Lappenblätter - die Chinesen nennen ihn sehr treffend „Entenfussbaum“, - sondern weil sie in China durch ihre Form auch Yin und Yang symbolisieren. Aber nicht nur das zeichnet ihn aus, auch seine goldgelbe Färbung im Herbst ist einmalig. Er kann über tausend Jahre alt werden, wenn man ihn lässt. Gingkobäume waren die ersten Bäume, die nach der Atombombenexplosion in Hiroshima wieder zu wachsen begannen, und sechs dieser Bäume haben diese sogar überlebt und wachsen heute noch. Aber er ist nicht nur faszinierend wegen dieser erstaunlichen Fakten, sondern auch, weil er zu unseren erdgeschichtlich ältesten Bäumen überhaupt gehört. Er ist ein Baum aus dem Jura, das Geologen vor 201- 145 Millionen Jahren ansiedeln und hat sich seit 200 Millionen Jahren nicht verändert.
Ihn anzusehen, bedeutet für mich, einen Blick in die fernste Vergangenheit unserer Erde werfen zu können und das ist, finde ich,- für mich jedenfalls, -ein erhebendes Gefühl. Und es zeigt mir, wie kostbar eigentlich unsere Welt ist. Und wie sehr wir Menschen darauf bedacht sein sollten, sie zu ehren und zu schützen