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Juni

Über das Teetrinken und Schreiben
Teil I

von Katharina Kumeko

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski
In Deutschland lernt man Kaffee trinken. Rund 164 Liter im Jahr pro Kopf trinkt man hier gegenüber nur 28 Litern schwarzem Tee. Ich habe das Teetrinken in Schottland kennen gelernt. Als Sechzehnjährige, in einer Gruppe ehrenamtlicher Helfer in einer Art kirchlichen Freizeit auf einem Schloss bei Edinburgh.
Dort trank ich meinen ersten schwarzen Tee, aß mein erstes englisches opulentes Frühstück, und fand sehr großen Gefallen daran. So großen, dass ich dem Tee und dem britischen Frühstück mein Leben lang treu geblieben bin.
Ich erinnere mich an Schüsseln voll Porridge, an kleine, kross gebratene Würstchen, an weiße Bohnen in Tomatensauce, an ham and eggs, (Gebratener Schinken und Eier) an bittere Orangenmarmelade auf, mit salziger Butter bestrichenen Toasts, und an Teekannen voll Tee...Morgens early breakfast tea, nachmittags den afternoon tea, (den nur wir vom Festland five o‘clock tea nennen, die Engländer jedoch nie), abends einen high tea, spätabends noch gegen 23 Uhr einen evening*tea. Alles wurde stilecht serviert von einem Butler. Ich war hin und weg, um es salopp zu formulieren.
Scotland und Great Britain hatten einen Verehrer mehr.

Sobald ich von zu Hause ausgezogen war, holte ich mir in Teeläden alle nur erdenklichen, schwarzen Teesorten zum Ausprobieren.
Ich probierte Oolong Tee, Jasmin Tee, Lapsang souchong Tee, Darjeeling Tee, Ceylon Tee, Assam Tee, Earl Grey Tee, Grünen Tee und noch viele andere mehr. Zum Sonntagsfrühstück bereitete ich mir ham and eggs, und Toast mit bitterer Orangenmarmelade und salziger Butter. Dazu eine Zeitung zum Lesen sowie eine dickbauchige Teekanne auf einem Stövchen, in der mit kochendem Wasser übergossene Teeblätter zogen, und das Frühstück war perfekt.
Nach und nach las ich mich in die Geschichte von schwarzem Tee ein, lernte, was es über seine Ernte und das Trocknen und Mischen zu einem guten Tee zu lernen gab. Las, was die Chinesen dazu zu sagen hatten: „Die erste Tasse Tee netzt die Lippen und die Kehle, die zweite verscheucht die traurige Einsamkeit, die dritte durchdringt dein ganzes Innere, die vierte macht deinen Geist hell und klar, bei der fünften bist du geläutert.“ sagt zum Beispiel der Dichter Lo Tung in der T‘ang Dynastie. (618-900 n.Chr.)
Zumindest von der vierten Tasse war ich überzeugt: ich hatte das Gefühl, besser lesen und lernen zu können. Später fand ich in einem Buch des Rätsels Lösung : das Teein entfaltet sich über das Zentralnervensystem, das Koffein des Kaffees jedoch über den Kreislauf, also das Herz.
Deshalb also das wache Gefühl danach beim Tee und das nervige Herzklopfen beim Kaffee!
Ich machte mich ebenfalls mit der japanischen Tee-Zeremonie bekannt, und bekam ihn, von einem japanischen Brieffreund zu Besuch in Deutschland, auch serviert. Aber obwohl ich diese Zeremonie liebte und sie dem Tee gegenüber auch angemessen fand, mochte ich diesen dick und schaumig gerührten grünen Sencha Tee überhaupt nicht.

Seit Jahrzehnten nun hat mich Tee begleitet, mich geweckt ,mich getröstet ; er war bei allen Situationen meines Lebens mit dabei.
„Wanna Cup of tea?“ fragt der Engländer und ich sage :„ Yes!“ Erstmal eine gute Tasse Tee, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.
Jedenfalls für mich.


(*evening tea... ich habe nie heraus gefunden, ob die Engländer diesen Tee gegen 23 Uhr wirklich so nennen und wie er bei ihnen heißt, vielleicht war er auf diesem Schloss auch nur ein Zugeständnis an zahlende Gäste.)