Dienstag, 1. Juni 2021

Juni

Über das Teetrinken und Schreiben
Teil I

von Katharina Kumeko

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski
In Deutschland lernt man Kaffee trinken. Rund 164 Liter im Jahr pro Kopf trinkt man hier gegenüber nur 28 Litern schwarzem Tee. Ich habe das Teetrinken in Schottland kennen gelernt. Als Sechzehnjährige, in einer Gruppe ehrenamtlicher Helfer in einer Art kirchlichen Freizeit auf einem Schloss bei Edinburgh.
Dort trank ich meinen ersten schwarzen Tee, aß mein erstes englisches opulentes Frühstück, und fand sehr großen Gefallen daran. So großen, dass ich dem Tee und dem britischen Frühstück mein Leben lang treu geblieben bin.
Ich erinnere mich an Schüsseln voll Porridge, an kleine, kross gebratene Würstchen, an weiße Bohnen in Tomatensauce, an ham and eggs, (Gebratener Schinken und Eier) an bittere Orangenmarmelade auf, mit salziger Butter bestrichenen Toasts, und an Teekannen voll Tee...Morgens early breakfast tea, nachmittags den afternoon tea, (den nur wir vom Festland five o‘clock tea nennen, die Engländer jedoch nie), abends einen high tea, spätabends noch gegen 23 Uhr einen evening*tea. Alles wurde stilecht serviert von einem Butler. Ich war hin und weg, um es salopp zu formulieren.
Scotland und Great Britain hatten einen Verehrer mehr.

Sobald ich von zu Hause ausgezogen war, holte ich mir in Teeläden alle nur erdenklichen, schwarzen Teesorten zum Ausprobieren.
Ich probierte Oolong Tee, Jasmin Tee, Lapsang souchong Tee, Darjeeling Tee, Ceylon Tee, Assam Tee, Earl Grey Tee, Grünen Tee und noch viele andere mehr. Zum Sonntagsfrühstück bereitete ich mir ham and eggs, und Toast mit bitterer Orangenmarmelade und salziger Butter. Dazu eine Zeitung zum Lesen sowie eine dickbauchige Teekanne auf einem Stövchen, in der mit kochendem Wasser übergossene Teeblätter zogen, und das Frühstück war perfekt.
Nach und nach las ich mich in die Geschichte von schwarzem Tee ein, lernte, was es über seine Ernte und das Trocknen und Mischen zu einem guten Tee zu lernen gab. Las, was die Chinesen dazu zu sagen hatten: „Die erste Tasse Tee netzt die Lippen und die Kehle, die zweite verscheucht die traurige Einsamkeit, die dritte durchdringt dein ganzes Innere, die vierte macht deinen Geist hell und klar, bei der fünften bist du geläutert.“ sagt zum Beispiel der Dichter Lo Tung in der T‘ang Dynastie. (618-900 n.Chr.)
Zumindest von der vierten Tasse war ich überzeugt: ich hatte das Gefühl, besser lesen und lernen zu können. Später fand ich in einem Buch des Rätsels Lösung : das Teein entfaltet sich über das Zentralnervensystem, das Koffein des Kaffees jedoch über den Kreislauf, also das Herz.
Deshalb also das wache Gefühl danach beim Tee und das nervige Herzklopfen beim Kaffee!
Ich machte mich ebenfalls mit der japanischen Tee-Zeremonie bekannt, und bekam ihn, von einem japanischen Brieffreund zu Besuch in Deutschland, auch serviert. Aber obwohl ich diese Zeremonie liebte und sie dem Tee gegenüber auch angemessen fand, mochte ich diesen dick und schaumig gerührten grünen Sencha Tee überhaupt nicht.

Seit Jahrzehnten nun hat mich Tee begleitet, mich geweckt ,mich getröstet ; er war bei allen Situationen meines Lebens mit dabei.
„Wanna Cup of tea?“ fragt der Engländer und ich sage :„ Yes!“ Erstmal eine gute Tasse Tee, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.
Jedenfalls für mich.


(*evening tea... ich habe nie heraus gefunden, ob die Engländer diesen Tee gegen 23 Uhr wirklich so nennen und wie er bei ihnen heißt, vielleicht war er auf diesem Schloss auch nur ein Zugeständnis an zahlende Gäste.)

Samstag, 1. Mai 2021

Mai

von Katharina Kumeko 

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski 
Und Stille... mit heißem Wind angefüllte Stille am Nachmittag. Du sitzt im Verborgenen. Schwankendes
Papyrus mit hohen Köpfen und windbewegte Wicken schützen vor unwillkommenen Blicken. Wenn du den Blick hebst, siehst du in eine endlos aufgespannte Bläue. Ein Blau, in dem die Augen keinen Halt finden, einzig an einem lautlosen Flugzeug. Winzig wie ein silbriges Insekt kriecht es still und langsam und gleichmäßig über die blaue Fläche. Eine flockigweiße Spur hinter sich her ziehend, die unsichtbare Winde vorsichtig auflösen. Du folgst ihm mit den Augen, bis es die gleißende Sonnenscheibe verschluckt. Es ist still. Ab und zu hörst du die gedämpften Freudenschreie der wie trunken in der Bläue herumfliegenden Vögel. Ab und an blitzt die Unterseite des Flugzeugs, wenn sich ein Sonnenstrahl verirrt. Heißer Wind trägt deine Gedanken fort. Heißer Wind wird sie fallen lassen auf vielleicht fruchtbare Erde. Sie werden Wurzeln schlagen und nach vielen Jahren sanft im Winde schaukeln, so wie der hohe Papyrus neben dir.

Donnerstag, 1. April 2021

APRIL

von Katharina Kumeko

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski
Wüchse ich doch wie das neue Grün! Überquellend vor Lebensfreude, tausend Möglich- keiten suchend, sich rankend festzuhalten: an einem verrosteten Tischbein, an einigen hochragenden Steinen auf der Erde, am eichenen Zaun, an den Stängeln der im Beet nebenan wachsenden Nelken - alles Möglichkeiten, sich festzuhalten und weiter zu wachsen. Über sich hinaus zu wachsen. Sich über den eigenen Topfrand zu wagen. Wäre ich doch wie dies rankende Grün! Oder wie die Sonnenblume! Folgte mit meinem Gesicht immer der Sonne! Ließe sie hinein in mein melancholisches Gemüt,mich aufzuheitern! Wäre ich doch wie dieses neu erwachte, rankende Grün! Voll Eifer, mich zur Blüte zu entfalten, mich in Kaleidoskop-Farben haltlos zu verschwenden!
Denn, wie wäre das Leben, täte ich es dem rankenden Grün gleich!?

Montag, 1. März 2021

März

Bücher und Schreiben

von Katharina Kumeko

ONsüd-Bild: Pokojski
Ein Bild van Goghs : „Die gelben Bücher“, von 1887, liegt vor mir.
Rund einundzwanzig Bücher auf Zeichenmappen sind darauf zu sehen - Pariser Romane - es ist eine Studie van Goghs - rechts liegt ein ins Auge fallendes, rotes Buch auf zwei rotbraunen. Darüber ein grünes Heft, und viele grüne oder gelbliche Einbände.
Beim Anschauen der Studie gerate ich ins Träumen:
Ein Tisch voll mit Büchern - das ist für mich das absolute Samstag- nachmittagsvergnügen.
Eine Tasse oder besser noch eine Kanne frisch aufgebrühten schwarzen Tee dabei, ein leckeres Käsebrötchen - der Himmel auf Erden! Mein Kater sieht es ähnlich, bedeutet es doch, dass die Mitbewohnerin - „die große Katze“- „mal endlich die Füße still hält und zu Hause bleibt.“ Und er nicht allein vor sich hin schnarchen muss. Dankbar seufzend lehnt er sich an mich und schon schnarcht er weg. Ich nehme behutsam das erste Buch vom Tisch , schaue mir sein Cover an, genieße es oder auch nicht und schlage dann Seite für Seite auf.
Erst die kurze Beschreibung über den Autor - wann geboren, wo lebend, Beruf und so weiter. Und in welchem Lebensjahr er dieses Buch geschrieben hat. Erst nach Sättigung meiner Begierden und Neugierde auf diesen Menschen , der auch schreibt, beginne ich zu lesen. Schon nach wenigen Seiten weiß ich, ob ich dieses Buch zu Ende lesen werde. Ob ich es mit Leidenschaft oder eher verhalten lesen werde, oder ob es mich langweilen wird. Dann lege ich es zurück. Genug andere Bücher warten ja noch… Dieses Herum-Probieren und Schnuppern ist ein ganz eigener, spannender Prozess vor dem Lesen, den ich nicht missen möchte. Jedes Buch auf dem Tisch unterziehe ich derselben Prozedur, bevor ich mich endgültig entscheide, welches ich als erstes lesen werde.

Ja, für Bücher gebe ich alles her. Ich versinke in ihnen, vergesse alles um mich herum. Sie lassen neue Welten erstehen. Erich Kästner nennt diese „das Land des Lesens, das ein geheimnisvoller, unendlicher Erdteil ist.“
Alles kann in diesem entstehen -„Dinge, Menschen, Geister und Götter, die man sonst nicht sehen könnte.“ *

Und welch ein Glück, selbst ein Buch zu schreiben! Wenn ein Thema, eine Geschichte oder eine Figur erst schemenhaft in mir auftaucht, eines Tages Gestalt annimmt und mich schließlich mit Haut und Haaren ergreift - das ist höchstes Glück.
Weniger Arbeit als großes Vergnügen und Freude an der Entwicklung der Handlung und, falls mich das Thema nicht mehr loslässt - am Ende des Geschriebenen auch ein bisschen Stolz und tiefe Zufriedenheit, dass es jetzt vor mir in einem dicken Packen beschriebenen Papiers auf dem Schreibtisch liegt. Neben der Freude lauert aber auch ganz nah die Traurigkeit - darüber, dass Fabulieren und Schreiben nun zu Ende sind. Dass ich mich von einer (oder mehreren) ins Leben gerufenen, lebendig gewordenen und liebgewonnenen Figur verabschieden muss. Oft folgt eine Pause - manchmal sogar ein bis zwei Jahre lang - bis vielleicht ein anderes, ein neues Thema, oder eine neue Figur plötzlich „da“ ist und mich erneut in den Taumel der Schreibfreude und des Fabulierens versetzt.

Ein Tisch voller Bücher: für den Einen: pure Langeweile auf weißen Blättern, für mich: der Himmel auf Erden.
Von Kindesbeinen an bis heute: jahrzehntelang ein ungetrübtes, nie versiegendes Vergnügen.

Ein Tisch voller Bücher...


* aus: Erich Kästner: Als ich ein kleiner Junge war


Montag, 1. Februar 2021

Februar

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski
Geglückter Morgen

von Katharina Kumeko
Der Fernseher wirft seine Bilder in den Raum. Es ist früher Morgen. Die Frau schaut aus dem Fenster. Die Straßenlaterne beleuchtet zwielichtig den Bürgersteig. Es regnet in feinen Fäden und stetig. Vor ihr sitzt eine Katze und wartet regungslos auf eventuell einen Meisenknödel anfliegende Vögel .Die Frau schaut auf das gegenüberliegende Haus. Ein hellerleuchtetes Fenster nach dem anderen erlischt dort und fällt in Dunkelheit zurück. Zuletzt leuchtet ihr nur noch ein gelbes Rechteck entgegen. Sie wendet sich ab.
Ein neuer Anfang. Diese drei magischen Worte kreisen in ihren Gedanken. Nur heute magisch? Weil neues Jahr? 
Sie erinnert sich an einen anderen Morgen : an eine „Ente“- ein französisches, altes, rostiges Vehikel -darunter verkrochen eine kleine Katze, trostloses heißes Pflaster und schmutzig- graue Mietshaus-Fassaden. Nicht idyllisch, sondern bedrohlich schäbig in einem Urlaub, der schon Jahrzehnte vergangen ist. Friedlich stand ein Mann auf einem dieser Balkone. 
Die Frau wendet sich ab. Das Fernsehen sendet Werbung.
Wird dieser Morgen glücken? Was ist ein geglückter Morgen? Ist er so wie in der Fernsehwerbung ? Mit einem blauen Himmel und strahlender Morgensonne? Mit einer glücklich lachenden Familie an einem Frühstückstisch? Mit optimistischer Hintergrundmusik ? 
Sie ist nicht fröhlich .Schon gar nicht am frühen Morgen.
Ihr geglückter Morgen, wie sähe er aus?

Freitag, 1. Januar 2021

Januar

 

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski
Ein Neues Jahr beginnt. Zeit für neue Träume. Neue Ziele. Mehr Liebe. Neue Abenteuer... Neuanfänge.
Auf in ein Gutes Jahr!“

Autor Lieblingsmensch




von Katharina Kumeko

Am Neujahrstage:
Abend ist es geworden. An dem Bild der „Verliebten“ habe ich weiter gemalt. Ein Blau -grau - weiß gemischt für den Himmel und zaghafte Schneeflocken. Die Amaryllis beschaut sich errötend im Spiegel . Es sind sechs magische Blüten , darüber schweben noch Sterne, zwölf an der Zahl, und ein Herz - rosa rot gestreift. Das Radio redet - WDR 5 am Abend. Die Heizung bollert, der Mond steht auf dreiviertel voll. Der Kater rülpst. Der Neujahrsabend ist perfekt.

Dienstag, 1. Dezember 2020

Dezember

von Katharine Kumeko

Zwei Engelmädchen kichern miteinander
in der Mitte sitzt ein Teddybär
es sind Miranda und Leandra
die eine trägt die Strümpfe quer
die andere schlägt die Hände vors Gesicht
vor Entzücken – oder was –?
Ich weiß es nicht
ihre Heiligenscheine sind leer.

ONsüd-Bild: Sebastian Pokojski

in eigner Sache

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