Bücher und Schreiben
von Katharina Kumeko
Rund einundzwanzig Bücher auf Zeichenmappen sind darauf zu sehen - Pariser Romane - es ist eine Studie van Goghs - rechts liegt ein ins Auge fallendes, rotes Buch auf zwei rotbraunen. Darüber ein grünes Heft, und viele grüne oder gelbliche Einbände.
Beim Anschauen der Studie gerate ich ins Träumen:
Ein Tisch voll mit Büchern - das ist für mich das absolute Samstag- nachmittagsvergnügen.
Eine Tasse oder besser noch eine Kanne frisch aufgebrühten schwarzen Tee dabei, ein leckeres Käsebrötchen - der Himmel auf Erden! Mein Kater sieht es ähnlich, bedeutet es doch, dass die Mitbewohnerin - „die große Katze“- „mal endlich die Füße still hält und zu Hause bleibt.“ Und er nicht allein vor sich hin schnarchen muss. Dankbar seufzend lehnt er sich an mich und schon schnarcht er weg. Ich nehme behutsam das erste Buch vom Tisch , schaue mir sein Cover an, genieße es oder auch nicht und schlage dann Seite für Seite auf.
Erst die kurze Beschreibung über den Autor - wann geboren, wo lebend, Beruf und so weiter. Und in welchem Lebensjahr er dieses Buch geschrieben hat. Erst nach Sättigung meiner Begierden und Neugierde auf diesen Menschen , der auch schreibt, beginne ich zu lesen. Schon nach wenigen Seiten weiß ich, ob ich dieses Buch zu Ende lesen werde. Ob ich es mit Leidenschaft oder eher verhalten lesen werde, oder ob es mich langweilen wird. Dann lege ich es zurück. Genug andere Bücher warten ja noch… Dieses Herum-Probieren und Schnuppern ist ein ganz eigener, spannender Prozess vor dem Lesen, den ich nicht missen möchte. Jedes Buch auf dem Tisch unterziehe ich derselben Prozedur, bevor ich mich endgültig entscheide, welches ich als erstes lesen werde.
Ja, für Bücher gebe ich alles her. Ich versinke in ihnen, vergesse alles um mich herum. Sie lassen neue Welten erstehen. Erich Kästner nennt diese „das Land des Lesens, das ein geheimnisvoller, unendlicher Erdteil ist.“
Alles kann in diesem entstehen -„Dinge, Menschen, Geister und Götter, die man sonst nicht sehen könnte.“ *
Und welch ein Glück, selbst ein Buch zu schreiben! Wenn ein Thema, eine Geschichte oder eine Figur erst schemenhaft in mir auftaucht, eines Tages Gestalt annimmt und mich schließlich mit Haut und Haaren ergreift - das ist höchstes Glück.
Weniger Arbeit als großes Vergnügen und Freude an der Entwicklung der Handlung und, falls mich das Thema nicht mehr loslässt - am Ende des Geschriebenen auch ein bisschen Stolz und tiefe Zufriedenheit, dass es jetzt vor mir in einem dicken Packen beschriebenen Papiers auf dem Schreibtisch liegt. Neben der Freude lauert aber auch ganz nah die Traurigkeit - darüber, dass Fabulieren und Schreiben nun zu Ende sind. Dass ich mich von einer (oder mehreren) ins Leben gerufenen, lebendig gewordenen und liebgewonnenen Figur verabschieden muss. Oft folgt eine Pause - manchmal sogar ein bis zwei Jahre lang - bis vielleicht ein anderes, ein neues Thema, oder eine neue Figur plötzlich „da“ ist und mich erneut in den Taumel der Schreibfreude und des Fabulierens versetzt.
Ein Tisch voller Bücher: für den Einen: pure Langeweile auf weißen Blättern, für mich: der Himmel auf Erden.
Von Kindesbeinen an bis heute: jahrzehntelang ein ungetrübtes, nie versiegendes Vergnügen.
Ein Tisch voller Bücher...
* aus: Erich Kästner: Als ich ein kleiner Junge war