Suderwicher Gesichter
(sepo) Wir haben die Ausrichtung der im letzten Jahr begonnenen Interviewreihe kürzlich erweitert. Zuvor haben wir uns noch mit dem evangelischen Pfarrer Harald Wagner getroffen, der natürlich in der Öffentlichkeit steht. Im letzten Monat haben wir einen Mitmenschen aus Suderwich vorgestellt, der nicht in der Öffentlichkeit steht, sondern vor allen durch sein soziales Engagement eine Bereicherung für den Stadtteil ist. Zum Monatsende gibt es heute ein weiteres, vorerst letztes Interview.
Sebastian Pokojski hat im Gespräch festgehalten und dokumentiert, was das Besondere im Leben der Interviewpartner*innen ausmacht.
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Steckbrief: Harald Wagner ist evangelischer
Pfarrer der Dreiraumgemeinde und lebt seit
1989 in Suderwich. Er ist verheiratet und hat
5 Kinder.
ONsuderwich-Bild: Sebastian Pokojski
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Teil 13
Sebastian Pokojski trifft Harald Wagner
Sebastian Pokojski: Was macht für Sie Suderwich aus?
Harald Wagner: Das Bild, das mir als erstes vor Augen steht, wenn ich an Suderwich denke, ist das Naturfreibad in seiner ganz eigenen Art - vor Jahren noch, wie aus der Zeit gefallen, aber einfach schön. Es spiegelt den dörflichen Charakter Suderwichs wider. Im Ortsteil gibt es ein intaktes Vereinsleben. Die Vereine untereinander begegnen sich mit Respekt und arbeiten auch dank der Koordination des Verkehrsvereins immer wieder gut zusammen. Welche Wirkung das hat, zeigt sich vielleicht am besten, dass selbst die jungen Menschen, die Jugend in Suderwich eine ganz hohe Identifikation mit ihrem Ortsteil hat.
"Suderwicher" ist man, das kann man eigentlich kaum werden.
Sebastian Pokojski: Gibt es besondere Erinnerungen oder eine Begebenheit, die Sie mit Suderwich verbinden?
Harald Wagner: Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Tag in Suderwich. Geboren bin ich in Hildesheim. Dort habe ich bis 1974 gelebt. Danach bin ich mit meinen Eltern aus beruflichen Gründen nach Buer gezogen. Meine erste Stelle als Vikar habe ich an der Christuskirche in Recklinghausen angetreten.
Und bis ich das erste Mal nach Suderwich kam, war mir der Ortsteil eigentlich nicht bekannt. Als ich an der langen Zechenmauer vorbei Richtung Suderwich fuhr, war es ein nicht sehr schöner eher, muscheliger November Tag.
Als erstes fuhr ich durch die alte Kolonie an der Margaretenstraße und weiter, von wo aus ich dann über die Henrichenburger Straße in die neue Kolonie an der Cheruskerstraße etc. meine Erkundungstour fortsetzte.
Schließlich bin ich dann bei meinem zukünftigen Kollegen an der Kreuzkirche in der Pfarrküche (in altem Resopal-Charme) angekommen, und fragte mich ernsthaft, was mir mein neuer Arbeitsplatz an Potenzial und Schönheit bot, weil ich die wahre Schönheit von Suderwich noch gar nicht kennengelernt hatte. Dennoch hatten die beiden Kolonien ihren eigenen Charme.
In den zurückliegenden weit über 30 Jahren gab es viele Ereignisse und Veranstaltungen, an die ich mich erinnere, die ich auch mit organisiert hatte.
Ganz besonders in Erinnerung ist mir der Frauentag in unserem Emmaus-Gemeindezentrum von Frauen für Frauen.
Es waren über 150 Teilnehmerinnen, die sich einen ganzen Tag lang bei interessanten Angeboten getroffen haben und sich bei Essen und Trinken unterhalten haben.
Ganz große Resonanz findet der bisher dreimal stattgefundene Kunst- und Kulinarik-Markt auf dem Kirchengelände. Beim letzten Mal wurde die Tausender-Marke an Besuchern offensichtlich geknackt. Das ist schon sehr eindrucksvoll.
Sebastian Pokojski: Inwieweit engagieren Sie sich in Suderwich und warum?
Harald Wagner: Beruflich bedingt hat mein Herz jahrelang für die Jugendarbeit geschlagen, offene Jugendarbeit im ZAKK. Das war mir immer wichtig.
Nahezu 20 Jugendfreizeiten habe ich selbst mit begleitet und geleitet, von Schweden bis Korsika. Wir waren viel unterwegs.
Wichtig war mir auch immer die soziale Frage. Beispiel für diese Arbeit ist die Aktion „Gemeinde hilft vor Ort“, überkonfessionell.
Und ohne Ansehen der Person können Menschen Hilfen beantragen, relativ formlos, die in eine finanzielle Not gekommen sind und die selbst in Suderwich wohnen.
Die Gelder kommen durch die Spenden während der Gottesdienste.
Dabei reicht die Hilfe von einer defekten Waschmaschine, die Übernahme von Tierarztrechnungen bis hin auch mal zu Autoreparaturen.
Es gibt auch kreative Ideen:
Auf dem Kirchengelände stehen drei Boxen. Eine mit Kinderkleidung und Spielsachen. Eine mit mancher Überraschung und eine sogenannte Nothilfe-Box. Bedürftige können jederzeit dort schauen und gucken, ob sie etwas finden, was sie gebrauchen können.
Es geht um das Motto, was die einen nicht mehr gebrauchen können, geben sie und andere können vielleicht etwas damit anfangen.
Als Seelsorger war es mir immer wichtig den Menschen gut zu begegnen auf Augenhöhe und mit Respekt.
Sebastian: Pokojski: Was gefällt Ihnen hier und was würden Sie gern ändern?
Harald Wagner: Ja, wie gesagt, die Identifikation mit dem Wohnort und das Gefühl hier gerne zu leben, das gefällt mir außerordentlich gut.
Das zeigt sich auch daran, dass Menschen Veranstaltungen, die hier in Suderwich stattfinden, auch gerne besuchen. Sie wollen dabei sein, eine gute Gemeinschaft miteinander haben.
Leider hat sich das gastronomische Angebot durch die Aufgabe der Restaurants Wetterkamp und Holtmannspötter etwas verschlechtert. Es wäre schön, wenn sich das wieder ändern würde.
Was mir Sorge macht, wenn ich durch die eine oder andere Straße gehe und verhängte Fenster sehe, dann möchte ich mir nicht ausmalen, was oftmals dahinter auch passiert.
Was nicht unbedingt angenehm auffällt, mittlerweile sind wohl sämtliche Baulücken, die es in Suderwich vor Jahren noch gab, geschlossen.
Schön wäre es, wenn ein zentraler Ort wie der Stresemannplatz aufgewertet würde und ein Ort der Begegnung entstehen würde, ähnlich wie es so gelungen am neuen Kreisverkehr stattgefunden hat.
Sebastian Pokojski: Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft und für Suderwich?
Harald Wagner: Ich werde am 31.Dezember diesen Jahres nach mehr als 35 Jahren in Suderwich in den Vorruhestand gehen und freue mich, dass ich auf eine erfüllte, gute und schöne berufliche Zeit zurückblicken kann.
Ich werde hier wohnen bleiben und freue mich aufs Reisen und vielleicht auch aufs Schreiben. Der ein oder andere Gedanke, der in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hat, wird vielleicht dann niedergeschrieben werden.
Ich freue mich auch auf Zeit für kleine Dinge, die man im beruflichen Alltag so nicht pflegen kann.
Für Suderwich wünsche ich mir, dass sich der bundesweit offensichtliche Rechtsruck in Suderwich nicht durchsetzt, und dass Menschen ein Gefühl für Demokratie und für Freiheit sich bewahren.
Insbesondere wünsche ich mir natürlich, dass Menschen in Suderwich die religiöse Dimension des Lebens nicht aus den Augen verlieren.
Und, dass es immer wieder gute Gemeinschafts- und Begegnungsorte und Treffpunkte gibt, wo Menschen auch das Leben feiern können.
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